Mit unseren Füssen legen wir jeden Tag Tausende von Schritten zurück. Sie verrichten klaglos ihren Dienst und bringen uns zu jedem Ziel. So richtig beachtet werden sie jedoch meist erst, wenn Schmerzen oder Verletzungen auftreten und unsere Mobilität einschränken. Wir haben uns mit Dr. Attila Vásárhelyi unterhalten und nachgefragt, was man präventiv für gesunde Füsse tun kann, was die häufigsten Beschwerden seiner Patientinnen und Patienten sind, in welchen Fällen eine Operation Sinn macht und was die Vorteile des minimalinvasiven Operierens sind, das er anwendet. Dr. Vásárhelyi ist Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates und Belegarzt an der Hirslanden Klinik Linde in Biel sowie am Spital Aarberg, Inselgruppe.
Herr Dr. Vásárhelyi, was sind die häufigsten Beschwerden, mit denen Patientinnen und Patienten Sie aufsuchen?
Das sind vor allem Vorfussdeformitäten. Eine der häufigsten Fussfehlstellungen ist der sogenannte Hallux valgus, bei dem die Grosszehe zu den übrigen Kleinzehen hin abweicht, während sich über dem Grundgelenk ein schmerzhafter Ballen bildet. Hammer- und Krallenzehen sind häufig mit dem Hallux valgus vergesellschaftet und können Beschwerden in geschlossenem Schuhwerk auslösen. Häufig leiden Patientinnen und Patienten auch unter Mittelfuss- oder Fersenschmerzen oder unter Problemen am oberen Sprunggelenk mit Verschleiss am Knorpel. Oft kommen sie auch mit Unfallverletzungen, zum Beispiel mit einem Bruch im Bereich vom oberen Sprunggelenk oder am Mittelfuss. Ebenfalls häufig sehe ich Verletzungen nach Distorsionen wie einem Misstritt, die zu Bandverletzungen am oberen Sprunggelenk mit teilweise bleibender Instabilität führen. Eine andere Patientengruppe im mittleren Lebensalter sucht mich mit Plattfuss- und Hohlfussdeformitäten auf, wenn diese immer mehr dekompensieren.
Kann man präventiv etwas für gesunde Füsse tun?
Ja, indem man gute und bequeme Schuhe trägt. Sie sollten ein gutes Fussbett haben und die Fersen stabil umfassen. Ungünstig für Menschen mit Fussproblemen sind zu weiche Schuhe, sogenannte Minimalschuhe. Das regelmässige Tragen von hohen Absätzen ist schlecht, da sie den Vorfuss unter Kompression setzen und dadurch die Zehen verformen. Auch Ballerinas sind nicht die beste Wahl, da sie zu flach sind und häufig viel zu klein gewählt werden. Dadurch pressen sie den Fuss vorne zusammen und stützen hinten nicht. Das kann nicht nur krumme Zehen, sondern auch Fersen- und Mittelfussschmerzen verursachen. Dazu gibt es spannende Zahlen: 80% der gesunden Frauen zwischen 20 und 60 Jahren haben Schmerzen beim Tragen von Schuhen, zwei Drittel haben bereits nachweisbare Fussdeformitäten und 90% tragen in der Beobachtung zu kleine Schuhe. Bedenkt man, dass der Fuss das meistbeanspruchte Körperteil und ein Hochleistungsorgan ist, stimmt das nachdenklich.
Was kann man tun, wenn trotzdem Beschwerden auftreten?
Zuerst versuchen wir immer, konservativ zu behandeln. Also mit Einlagen oder Bequemschuhen und in manchen Fällen mit Physiotherapie mit dem Ziel einer verbesserten Körperhaltung. Wenn die konservative Therapie nichts nützt oder die Beschwerden bereits zu gravierend sind, ziehen wir eine Operation in Betracht.
Und wie gehen Sie bei einer Operation vor?
Ich wende wo immer möglich ein minimalinvasives Verfahren an. Dabei wird wie durch ein Schlüsselloch mit Spezialinstrumenten unter der Haut operiert. Man kann alle wichtigen Strukturen wie den Knochen, die Sehnen und den Kapselbandapparat damit angehen. Um an die zu korrigierende Region zu kommen, braucht es deshalb nur einen ca. 2 mm langen Schnitt für eine Korrektur. Dieser verheilt dann unsichtbar. Früher hat man offen operiert und lange Schnitte gemacht. Das führte häufig zu Narbenproblemen, Bewegungs- und Funktionseinschränkungen, Wundheilungsstörungen oder Infektionen am Fuss, zum Beispiel bei Risikopatienten mit Zuckerkrankheiten oder Durchblutungsstörungen. Deshalb bin ich überzeugter Anwender des minimalinvasiven Verfahrens. Es ist Mitte der 1950-er Jahre in den USA entstanden und wird seit etwa 2010 mehr und mehr auch in der Schweiz eingesetzt, allerdings noch immer von relativ wenigen orthopädischen Chirurginnen und Chirurgen.
Was sind die Vorteile einer minimalinvasiven Operation?
Anders als bei der offenen Technik werden bei einer minimalinvasiven Operation die umgebenden Weichteile, d.h. die kleinen Blutgefässe, Muskeln, Sehnen und Kapselgewebe, nicht in Mitleidenschaft gezogen. Operationszeit, Schmerzmittel und postoperative Schmerzen sowie innere und äussere Narben werden stark reduziert. Weil wir das Gelenk nicht mehr mit einem grossen Schnitt öffnen müssen, verwachsen die Knochen nach der Operation besser, es bilden sich keine Narben, Patientinnen und Patienten brauchen nach der Operation weniger Schmerzmittel und sind schneller wieder mobil und zurück im Alltag. Das Risiko ist bei einer minimalinvasiven Operation insgesamt niedriger als bei einer offenen Operation.
Wie erfolgt die Nachbehandlung?
Die Nachbehandlung im Fall einer Vorfusskorrektur kann unter voller Belastung des Fusses in einem komfortablen Verbandschuh erfolgen. Der notwendige Spezialverband am Fuss wird während fünf Wochen wöchentlich bei uns gewechselt. Die minimale Ruhigstellungszeit ist gut für die Rehabilitation. Patientinnen und Patienten verlieren keine Muskulatur und finden rasch zu ihrer bisherigen Mobilität zurück, was wiederum ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz oder zum Sport nach nur wenigen Wochen ermöglicht.
Wann wenden Sie das minimalinvasive Verfahren an?
Minimalinvasiv operiert werden nicht nur Fehlstellungen des Grosszehs wie der Hallux valgus, sondern auch Krallen- und Hammerzehen, «Schneiderballen» der Kleinzehe, chronische Mittelfussschmerzen, Morton-Neurome (Nervenentzündungen), Achillessehnen- und Fersenspornschmerzen sowie Fersenbeinkorrekturen wie z.B. beim Plattfuss. Die meisten Behandlungen am oberen Sprunggelenk führe ich arthroskopisch, d.h. ebenfalls in Schlüssellochtechnik durch.
Können solche Operationen ambulant durchgeführt werden?
Einzelne Zehen kann und muss man ambulant operieren, das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Die Korrektur des Hallux valgus und andere Fusseingriffe sind stationäre Eingriffe, die Patientinnen und Patienten verbringen mindestens zwei Nächte im Spital. Wir arbeiten gerne mit einer Regionalanästhesie. Das ist komfortabel, da während und sogar bis zu 24 Stunden nach der Operation keine oder fast keine Schmerzen auftreten und dadurch der Schmerzmittelverbrauch deutlich reduziert ist.
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