Hirslanden Fachartikel

Lukas Lange ist Sportphysiotherapeut und betreut im Winter während mehrerer Wochen die Athleten der Trainingsgruppe ELITE EUROPACUP SPEED Männer von Swiss-Ski. Im Winter 2024/25 sind es acht Männer im Alter von 20 bis 24 Jahren, die Wettkämpfe in den Disziplinen Super-G und Abfahrt absolvieren. Im Interview verrät er, wie ein typischer Tag auf und neben der Piste aussieht, welche Herausforderungen die Betreuung von Spitzensportlern mit sich bringt, welches die häufigsten Verletzungen sind und welche Rolle die Prävention spielt. Lukas hat früher selbst an FIS-Wettkämpfen teilgenommen, was bei seiner Tätigkeit ein grosser Vorteil ist.

Lukas, wie sieht ein typischer Tag auf und neben der Piste für dich aus, wenn du die Athleten betreust?

Mein Tag beginnt meistens schon vor Sonnenaufgang. Nach dem Aufstehen frühstücke ich mit den Trainern, Service-Leuten und Athleten. Während des Frühstücks mache ich einen kurzen Check-up mit den Athleten. Sie geben mir Feedback, wie der Tag zuvor war oder wie eine Therapie gewirkt hat, ob etwas besser oder schlechter geworden ist. Danach fahre ich mit den Athleten in der Gondel auf den Berg. Während des Trainings und auch bei Wettkämpfen bleibe ich den ganzen Tag am Start. Ich bin mit einem Funkgerät ausgerüstet und ständig in Kontakt mit den Coaches. Bei der Abfahrt und beim Super-G sieht man von oben nicht die ganze Strecke, deshalb ist der Funkkontakt wichtig. Die Coaches sind auf der Strecke verteilt. So können wir die ganze Strecke kontrollieren. Bei der Trainingsgruppe SPEED ist zudem meistens eine Person vom Rettungsdienst dabei, während den Wettkämpfen sogar mehrere Ärzte und Rettungssanitäter, da das Risiko aufgrund der hohen Geschwindigkeit grösser ist als beim Slalom und Riesenslalom.

Nach dem Training sorge ich für die Regeneration der Athleten, zum Beispiel mit Sportmassagen, Dry Needling, manueller Mobilisation oder unterstützenden Massnahmen wie Kälte- oder Wärmetherapie. Auch Prävention ist wichtig, zum Beispiel Dehnungsübungen oder Faszienrollen. Dann ist Abendessen und – ein sehr wichtiger Punkt – schlafen. Der Schlaf hat einen grossen Einfluss auf die Regeneration. 

In welchen Orten warst du letzthin bei den Trainings auf der Piste dabei?

Die Athleten trainieren schon seit Anfang September. Ich war im Oktober im Vorbereitungslager in Saas Fee dabei, drei Mal eine Woche. Ich wechsle mich ab mit anderen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten von Swiss-Ski und der Hirslanden Klinik im Park. Wenn ich nicht auf der Skipiste bin, arbeite ich ganz normal in der Klinik Hirslanden in Zürich. Im Januar 2025 werde ich den ganzen Monat mit den Athleten unterwegs sein.

Welche speziellen Herausforderungen bringt die Betreuung von Profis im Hochleistungssport mit sich?

Die Belastung der Athleten ist enorm, sowohl physisch als auch mental. Meine Aufgabe ist es nicht nur, akute Beschwerden zu behandeln, sondern auch präventiv zu arbeiten, um Überlastungen und Verletzungen zu vermeiden. Jeder Athlet reagiert unterschiedlich auf Trainingsintensitäten. Und jeder Athlet braucht deshalb individuelle Unterstützung. Das ist die grösste Herausforderung. Ich bin dieses Jahr aber schon die zweite Saison dabei und kenne die Athleten mittlerweile gut. Sie freuen sich, wenn ich mehrere Einsätze mir ihnen habe. Ich bin mehr verbunden mit ihnen und für sie ist es einfacher, wenn oft die gleiche Ansprechperson vor Ort ist.

Kannst du uns eine Anekdote erzählen, bei der deine physiotherapeutischen Fähigkeiten auf der Piste besonders gefragt waren?

Bisher gab es zum Glück keine kritischen Situationen, weder im Training noch bei Wettkämpfen.

Welche Massnahmen ergreifst du, um die Athleten während der Trainings vor Verletzungen zu schützen? Was passiert also auch neben der Piste?

Vor dem Training wärmen sich alle Athleten auf. Das machen sie selbstständig. Bei Bedarf mache ich allenfalls leichte Mobilisationen, um die Beweglichkeit zu verbessern oder Schmerzen zu lindern. Während dem Training bin ich oben zuständig für die Athleten. Wenn etwas ist, melden sie sich bei mir. Draussen ist man etwas eingeschränkt wegen der Kälte, man kann nicht alle Therapien machen. Aber ich bin immer da und habe Medikamente dabei – und Tee.

Wie eng arbeitest du mit den Teamärzten und anderen Fachpersonen bei Hirslanden zusammen, um die Gesundheit der Athleten zu gewährleisten?

Wir arbeiten sehr eng zusammen und treffen uns regelmässig. Vor dem Saisonstart und einmal pro Jahr gibt es ein grösseres Meeting, an dem alle betreuenden Ärztinnen, Ärzte, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten von Swiss-Ski und Hirslanden sowie Sportwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler teilnehmen. Dr. Walter O. Frey ist Sportarzt von Hirslanden und Chief Medical Officer von Swiss-Ski. Er stellt nicht nur sicher, dass die Athletinnen und Athleten von Swiss-Ski einen schnellen Zugang zum schweizweiten Netzwerk der Hirslanden-Gruppe und ihren Partnern haben, sondern führt auch durch diese Meetings.

Therapiepläne und Rehabilitationsschemata erstellt ich immer in Absprache mit Ärzten, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftlern. Da sich die Techniken jedes Jahr weiterentwickeln, aktualisieren wir die Therapiepläne und Rehabilitationsschemata laufend. Und wir Physiotherapeuten tauschen uns regelmässig aus und halten uns bezüglich Athleten auf dem neusten Stand.

Was sind die häufigsten Verletzungen, die du im Ski-Leistungssport beobachtest, und wie behandelst du diese vor Ort?

Typisch sind Knieverletzungen, Kreuzbandrisse, Meniskusschäden, Schulterverletzungen und Prellungen. Bekomme ich die Information, dass sich jemand verletzt hat, fahre ich hinunter zum Unfallort. Diesen sichern wir so schnell wie möglich, damit der verletzte Athlet gut geschützt ist. Dann gilt es, erste Hilfe zu leisten, also den Verletzten stabil zu lagern, Unterkühlung zu vermeiden, Wunden zu versorgen und Schmerzen zu lindern. Ich muss schnell einschätzen können, ob der Athlet nur leicht verletzt ist und weiterfahren kann, ob es weitere ärztliche Abklärungen braucht, ob der Rettungsdienst oder gar der Hubschrauber kommen soll. Ich mache diese Einschätzung zusammen mit den Coaches, wenn der Rettungsdienst noch nicht da ist. Ist die Situation nicht klar genug für mich, kann ich den zuständigen Arzt anrufen. Wenn die Verletzung nicht dramatisch ist, versuchen wir alles, um es vor Ort zu organisieren und nicht mit dem Hubschrauber. Das funktioniert sehr gut. Wir bekommen vor jedem Training und jedem Wettkampf ein Dokument mit allen Telefonnummern. In Saas Fee zum Beispiel dauert die Reise von der Piste ins Spital nur rund 7 Minuten, der Hubschrauber ist in 7 Minuten vor Ort. Aber zum Glück habe ich das noch nie gebraucht.

Wie wichtig ist das Thema Prävention in deiner täglichen Arbeit, und welche Rolle spielt Hirslanden dabei?

Prävention ist das A und O. Wir testen die Athleten vor Ort und legen für jeden gezielte Massnahmen und individuelle Übungen zur Prävention fest. Zum Beispiel, um die Beinachsen- oder Fussstabilität zu verbessern. Wir zeigen den Athleten gezielte Übungen, die sie selbstständig machen können, auch für die Rückenhygiene und -mobilisation sowie für die Wirbelsäule. Hirslanden ist seit 2021 für die sportmedizinische Betreuung der Athletinnen und Athleten von Swiss-Ski verantwortlich. Wir Physiotherapeuten sind primär vor Ort im Einsatz.

Gab es eine besonders herausfordernde Situation, in der deine Arbeit den Unterschied für den Athleten gemacht hat?

Einmal erlitt ein Athlet einen leichten Bandscheibenvorfall und hatte starke Rückenschmerzen. Ich habe vor dem Start mit ihm gearbeitet und diverse Mobilisationen und Dehnungen gemacht. Danach konnte er wie geplant im Super-G starten. Nach dem Rennen haben wir weitergearbeitet und den Rücken in den Griff bekommen.

Wie unterscheidet sich die physiotherapeutische Betreuung auf der Piste von der Behandlung in der Klinik?

Das ist ein riesiger Unterschied. Auf der Piste muss ich so schnell wie möglich reagieren. Deswegen bin ich am Start immer zu 100 Prozent bereit, falls etwas passiert. Ich habe meine Ski in der Nähe und muss sofort losfahren können mit meinem Rucksack, in dem ich alle wichtigen Dinge habe. Es ist sehr spannend und verlangt immer die volle Aufmerksamkeit, ohne Pause. Ein weiterer Unterschied ist, dass ich weniger Hilfsmittel zur Verfügung habe. Und die Arbeit findet unter erschwerten Bedingungen wie Kälte und Zeitdruck statt.

In der Klinik ist mehr Ruhe und ich habe alle Ressourcen und Hilfsmittel zur Verfügung, die Ärzte sind in der Nähe. Ich habe zwar auch viel zu tun, aber es ist weniger stressig. Ich kann mich vorbereiten, langfristige Pläne machen und habe Zeit für Weiterbildungen.

Was würdest du Hobbysportlern in Bezug auf die Prävention mit auf den Weg geben, damit sie die Skisaison gesund geniessen können?

Bereitet euch gut auf die Saison vor, trainiert eure Beinmuskulatur und die Rumpfstabilität, wärmt euch vor jeder Abfahrt auf, trägt einen Helm und überschätzt euch nicht. Und ganz wichtig: Macht regelmässige Pausen, so bleibt der Spass erhalten und das Risiko gering.

Lukas Lange

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Klinik Hirslanden, Zürich
Physiotherapeut
Lukas Lange hat einen Master of Science in Sportphysiotherapie absolviert. Er arbeitet in der Klinik Hirslanden in Zürich und betreut im Winter während mehrerer Wochen Athleten der Trainingsgruppe ELITE EUROPACUP SPEED MÄNNER von Swiss-Ski auf und neben der Piste.