In der Schweiz sind klinische Pharmazeutinnen und Pharmazeuten immer häufiger in Kliniken und Pflegeeinrichtungen anzutreffen und werden in die medizinisch-pflegerischen Teams integriert. Sie überprüfen die Verschreibungen von Medikamenten, beugen potenziellen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vor, helfen Über- und Unterdosierungen sowie Nebenwirkungen zu erkennen und zu verhindern. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, die medikamentöse Behandlung von Patientinnen und Patienten zu optimieren und die Gesundheitskosten zu senken.
Damit sind sie eine vorteilhafte Unterstützung für die Behandlungsteams und die Patientinnen und Patienten. In den beiden Hirslanden-Kliniken in Genf versorgen die klinischen Pharmazeutinnen Pauline de Werra und Stéphanie Bonnet die Kliniken mit den notwendigen Medikamenten, geben wichtige Empfehlungen zu Therapieentscheidungen und sind damit wertvolle Ansprechpartnerinnen für die Behandlungsteams. Im Interview geben sie Auskunft über ihren Tätigkeitsbereich.
Was sind typische Aufgaben einer klinischen Pharmazeutin, die wie Sie in einer Klinik tätig ist?
Pauline de Werra: Als klinische Pharmazeutinnen sind wir in den Pflegeabteilungen präsent und arbeiten mit den Stationsärztinnen und -ärzten und den Pflegefachpersonen zusammen. Wir nehmen Einsicht in die Krankenakten von Patientinnen und Patienten und führen das sogenannte Medikationsmatching durch. Das ist ein Prozess, bei dem die medikamentöse Behandlung eines Patienten bei Pflegeübergängen, z. B. von zu Hause in die Klinik, verglichen, überprüft und koordiniert wird. Ziel ist es, Fehler, Wechselwirkungen und Doppelbehandlungen zu vermeiden und so die medikamentöse Behandlung zu optimieren. Die Abstimmung der Medikation ist daher ein wichtiger Bestandteil der Patientensicherheit.
Was gehört alles zur Optimierung der medikamentösen Behandlung?
Pauline de Werra: Dazu gehört, dass wir überprüfen, ob die Behandlung hinsichtlich der Indikationen, der Dosierung, der Behandlungsdauer und der Verträglichkeit des Patienten korrekt verschrieben wurde. Ziel ist es, das Risiko von Nebenwirkungen zu verringern und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass wir Therapiewechsel zu Generika oder Biosimilars vorschlagen, um Kosten zu senken. Und der dritte Punkt, der dazu gehört: die Verbesserung der Therapietreue von Patientinnen und Patienten. Unter Therapietreue versteht man die Fähigkeit eines Patienten oder einer Patientin, den Empfehlungen und Anweisungen der Ärztin oder des Therapeuten zu folgen, zum Beispiel was die Einnahme von Medikamenten in der richtigen Dosierung und zum richtigen Zeitpunkt betrifft.
Beschäftigen Sie auch spezialisierte klinische Pharmazeutinnen?
Stéphanie Bonnet: Ja. In der Onkologieabteilung arbeitet eine auf Onkologie spezialisierte klinische Pharmazeutin eng mit den Onkologinnen und Onkologen und dem Pflegeteam zusammen und führt pharmazeutische Gespräche mit den Patientinnen und Patienten. Sie führt eine Überprüfung der medikamentösen Behandlung durch, erklärt das vorgeschriebene onkologische Protokoll und informiert über die Nebenwirkungen der Medikamente. Das ermöglicht die Überwachung von Patientinnen und Patienten während der gesamten Behandlung.
Und wie geht die spezialisierte klinische Pharmazeutin in der Onkologieabteilung vor?
Stéphanie Bonnet: Sie führt gleich zu Beginn der Behandlung ein pharmazeutisches Gespräch, um die Medikation mit dem Patienten oder der Patientin abzustimmen. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in der Patientenakte durch ein pharmazeutisches Protokoll dokumentiert, das allen Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften zugänglich ist. Bei den Tumor Boards, den wöchentlichen multidisziplinären Treffen zur Therapieentscheidung für Patientinnen und Patienten mit Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs, unterstützt die klinische Apothekerin die Ärztinnen und Ärzte mit ihrem Fachwissen. Sie hilft, die für jede Patientin und jeden Patienten bestmögliche Strategie festzulegen. Dabei passt sie die Behandlung an die individuelle Situation an, um die Verträglichkeit und Wirksamkeit zu optimieren.
Wenn Sie von der Anpassung der Behandlung an die individuelle Situation sprechen: Können Sie die Rolle der Pharmakogenetik erläutern?
Stéphanie Bonnet: Die Pharmakogenetik ist ein Bereich der Pharmakologie, der sich mit dem Zusammenhang zwischen den genetischen Eigenschaften einer Person und ihrer individuellen Reaktion auf Medikamente befasst. Mit anderen Worten: Je nach genetischer Veranlagung kann ein Medikament bei verschiedenen Menschen unterschiedlich wirken – entweder stärker oder schwächer oder mit mehr oder weniger Nebenwirkungen. Die Pharmakogenetik hilft dabei, die richtige Dosierung oder das am besten geeignete Medikament für eine bestimmte Person zu finden.
In der Onkologie, wo die potenziell schädlichen Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung auf den Körper (Toxizität) hoch sind, ist die Pharmakogenetik zentral, um die zu verabreichenden Dosen vor Beginn der Behandlung anzupassen. Durch die Analyse von Veränderungen der Enzymaktivität, die mit der Expression bestimmter Gene zusammenhängen, können verschiedene Phänotypen von Metabolisierern (ultraschnell, schnell, mittelschnell oder langsam) unterschieden werden, die die Geschwindigkeit der Umwandlung, Entgiftung oder Ausscheidung des Arzneimittels bestimmen und so seine potenzielle Toxizität beeinflussen.
Welche Rolle spielen klinische Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in anderen Abteilungen?
Pauline de Werra: Sie spielen auch eine wichtige Rolle in Abteilungen, die stationäre Patientinnen und Patienten betreuen, zum Beispiel in der Inneren Medizin oder in der Chirurgie. Auch hier ermöglichen sie durch ihr Fachwissen eine Optimierung und Sicherung der medikamentösen Behandlung. Sie erkennen Wechselwirkungen von Medikamenten und beugen unerwünschten Nebenwirkungen vor, indem sie Dosierungsanpassungen vorschlagen und so die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung verbessern. Sie sorgen auch für die therapeutische Ausbildung der Patientinnen und Patienten und fördert so deren Therapietreue, während sie gleichzeitig die klinische Entwicklung überwachen, um eine angemessene Nachsorge zu gewährleisten. Schliesslich tragen sie durch ihre enge Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft und den Pflegefachpersonen dazu bei, die Pflegeteams in den pharmakologischen Aspekten ihrer Tätigkeit zu schulen. Aufgrund ihrer pharmazeutischen Kenntnisse können sie auch dazu beitragen, die Art und Weise zu optimieren, in der Medikamente zubereitet oder verabreicht werden.
Können Sie dazu ein Beispiel aus Ihrem Alltag erzählen?
Pauline de Werra: Vor kurzem haben wir bei einem Patienten in der medizinischen Abteilung, der eine hochdosierte chronische intravenöse Schmerztherapie erhält, vorgeschlagen, die Konzentration der Infusionsbeutel zu ändern. Dadurch hat sich die Häufigkeit der Beutelwechsel und gleichzeitig die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals verringert. Das war eine sehr geschätzte Unterstützung.
Weitere Publikationen zum Thema
Unsere Spezialisten
Klinische Apothekerin und Leiterin der Hirslanden-Apotheken der Clinique La Colline und Clinique des Grangettes, Genf
Klinische Apothekerin, spezialisiert auf Onkologie, Clinique des Grangettes, Genf