Das Prostatakarzinom stand in den letzten Jahren häufig in den Schlagzeilen.
Leider wurden dabei auch viele Halb- und Unwahrheiten verbreitet, wie zum Beispiel: «Prostata reagiert auf Veilchenduft», «Softdrinks erhöhen das Risiko für Prostatakrebs», «Bei Prostatakrebs nicht sofort Gewebe entnehmen» oder «mit neuen Behandlungswegen lassen sich Bestrahlung und OP vermeiden».
Solche Botschaften haben die Männer stark verunsichert. Zuverlässige und richtige Informationen von Seiten der Urologen zur Vorsorge bei Prostatakrebs haben deshalb stark an Bedeutung gewonnen. Diesem Vorsatz widmet sich der Publikumsvortrag und beleuchtet speziell die Frage, welche Patienten wie behandelt werden sollen.
Prostatatumore sind häufig – führen aber selten zum Tod
Pro Jahr erkranken in der Schweiz etwa 5900 Männer (rund 16 pro Tag) an Prostatakrebs. Das macht den Prostatakrebs mit 30% aller Krebsdiagnosen zur mit Abstand häufigsten Krebsart bei Männern. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit stark zu: 40% aller 50-jährigen, 50% aller 60-jährigen und 60% aller 80-jährigen Männer sind betroffen. Dennoch ist hinsichtlich der Vorsorgeuntersuchung sowie einer möglichen Behandlung der Patienten Zurückhaltung geboten. Denn: Wenige Patienten müssen tatsächlich behandelt werden und noch viel weniger sterben am Prostatakrebs, wie die Resultate einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2004 bestätigen. Die Studie fand bei 1800 verstorbenen 50-jährigen Männer zwar bei 40% einen Prostatatumor, 80% davon hatten jedoch Zeit ihres Lebens keine Beschwerden und nur bei 8% galt nachträglich der Prostatakrebs als Todesursache.
Was bedeutet dies für die Vorsorge bei Prostatakrebs?
Die wichtigste Aufgabe und Herausforderung des Urologen, Hausarztes oder Internisten besteht darin, diejenigen Tumoren zu identifizieren und zu behandeln, die unbehandelt zu Beschwerden und mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Tode führen. Eine Umfrage beim anwesenden, meist älteren, männlichen Publikum zeigt, dass 50% bereits mindestens einmal bei einem Urologen waren und 60% sich mindestens einem PSA-Test unterzogen hatten.
Anatomie
Die männliche Vorsteherdrüse (Prostata)
Die Prostata liegt unmittelbar unterhalb der Blase und umschliesst die Harnröhre ringförmig. Die Harnröhre verläuft durch die Mitte der Prostata. Bei einer Grössenzunahme der Prostata - entweder aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses (gutartige Prostatavergrösserung) oder aufgrund eines bösartigen Tumors – kann durch Druck auf die Harnröhre der Harnfluss behindert werden und der Patient bekommt Mühe mit Wasserlösen.
Der Prostatatumor ist ein knolliges, hartes, blumenkohlartiges Gebilde, welches zunächst innerhalb der Prostata wächst und später auf die Umgebung übergreift. Für den Patienten ist es wichtig, dass der Tumor möglichst früh entdeckt wird - und zwar solange sein Wachstum sich nur auf die Prostata beschränkt und nicht darüber hinaus wächst. Wird der Prostatakrebs in diesem Stadium entdeckt, ist eine Heilung noch möglich.
Welche Möglichkeiten hat der Arzt den Prostatatumor zu finden?
Drei Untersuchungen führen zur Diagnose «Prostatakrebs»:
- Tastuntersuchung mit dem Finger, die so genannte Digital Rektale Untersuchung
- Bestimmung des PSA-Wert
- Gewebeentnahme (Biopsie) mit anschliessender feingeweblicher Untersuchung unter dem Mikroskop (Histologie)
Digital Rektale Untersuchung
Durch den Anus untersucht der Arzt die Prostata mit dem Finger. Dabei kann er die Grösse, Form und Konsistenz der Vorsteherdrüse gut beurteilen. Normalerweise fühlt sich die Prostata wie der angespannte Daumenballen an, also fest, aber elastisch. Ein verdächtiger Tumor fühlt sich dagegen hart oder knotig an.
Allerdings kann der Tumor erst getastet werden, wenn er eine gewisse Grösse erreicht hat, respektive über die Prostata hinaus ins umliegende Gewebe gewachsen ist. Ein kleiner Tumor innerhalb der Prostata kann nicht getastet werden und verursacht auch keine Beschwerden.
PSA-Wert – was ist das?
Das PSA (Prostata-Spezifische Antigen) ist ein Eiweiss (Protein), das ausschliesslich in der Prostata gebildet wird und im Blut gemessen werden kann. Der PSA-Wert ist der wichtigste Tumormarker für das Prostatakarzinom. Allerdings gibt die PSA-Messung nur einen indirekten Hinweis auf einen Prostatakrebs. Denn: PSA wird auch von der gesunden Prostata gebildet und auch bei der gutartigen Prostatavergrösserung sowie bei einer Prostataentzündung steigt der PSA-Wert an. Aus diesem Grund wird die Bedeutung der PSA-Messung im Rahmen der Krebsvorsorge seit Jahren kontrovers diskutiert.
PSA-Werte: Was gilt als normal, wann sind sie zu hoch?
Da auch die gesunde Prostata PSA bildet und der Wert unter anderem von der Grösse der Prostata abhängig ist, müssen zunächst die «Normalwerte» festgelegt werden. Der PSA-Normwert bei einem gesunden Mann liegt zwischen 0–4 ng/ml.
Bei fast allen Männern vergrössert sich die Prostata im Laufe des Lebens (gutartige Prostatavergrösserung), wodurch auch der PSA-Wert steigt. Je grösser die Prostata ist, desto mehr PSA wird gebildet – auch ohne jeglichen Krankheitswert. Als Warnzeichen gilt insbesondere ein schneller Anstieg der PSA-Werte, über einen relativ kurzen Zeitraum.
Wann macht eine erste PSA-Messung Sinn?
Die PSA-Messung allein macht wenig Sinn. Zur Diagnose müssen weitere Kriterien wie Ergebnis des Tastbefundes, allgemeiner Gesundheitszustand und das Alter des Patienten hinzugezogen werden.
Jeder Mann sollte über die tatsächliche Aussagekraft des PSA-Wertes und über die möglichen Konsequenzen im Falle einer PSA-Erhöhung aufgeklärt werden.
Bedeutung der regelmässigen PSA-Kontrollen
Ein einmalig gemessener PSA-Wert ist wenig aussagekräftig. Zur genauen Abklärung und Diagnose ist eine Verlaufskontrolle mit mehreren Messungen notwendig.
Ein schwankender PSA-Wert (mal höher, mal tiefer), deutet eher auf eine Prostataentzündung hin. Rasch ansteigende PSA-Werte – etwa eine Verdoppelung innerhalb eines Jahres – sind hingegen verdächtig auf einen Prostatakrebs.
Regelmässige PSA-Messungen beim Hausarzt oder Urologen verhindern, dass ein Anstieg und damit ein möglicher Prostatakrebs zu spät erkannt werden. Klagt der Patient bereits über Beschwerden, ist es meist für eine Heilung zu spät. Denn: Ein Prostatakrebs führt in der Regel erst bei fortgeschrittener Erkrankung zu Symptomen, meist bestehen dann auch bereits Metastasen (Krebsableger).
Gewebeuntersuchung/Biopsie – wann wird sie notwendig?
Bei einem auffälligen Befund bei der Tastuntersuchung und/oder bei sehr hohen oder raschansteigenden PSA-Werten besteht ein Tumorverdacht und der Arzt wird eine Biopsie vornehmen.
Muss jeder Mann mit erhöhten PSA-Werten eine Biopsie über sich ergehen lassen?
Nein, so der Urologe. Nebst den PSA-Werten ist auch die gesundheitliche Befindlichkeit und die Lebenserwartung des Patienten wichtig. So ist zum Beispiel eine Biopsie bei geringer PSA-Erhöhung und unauffälligem Tastbefund nicht dringlich und im höheren Lebensalter kann sogar darauf verzichtet werden. Denn: Auch wenn in der Biopsie ein Tumor gefunden wird, ist aufgrund des langsamen Tumorwachstums, nicht in jedem Fall eine Therapie notwendig. In solchen Fällen kann der Patient vor der Diagnose Prostatakrebs geschützt werden, da er höchstwahrscheinlich nicht daran sterben wird.
Wie wird eine Biopsie gemacht?
Eine Biopsie kann in der Praxis des Urologen unter Lokalanästhesie vorgenommen werden. Über den Enddarm wird mit einer Punktionsnadel, die mit einem Ultraschallgerät gekoppelt ist, der Prostata an acht verschiedenen Stellen Gewebe entnommen. Anschliessend werden die Gewebestücke unter dem Mikroskop nach Tumorzellen untersucht. Liegen solche vor, ist die Diagnose‚ «Prostatakrebs» gestellt. Im Anschluss wird anhand des Zellbildes die Bösartigkeit (Aggressivität) des Tumors bestimmt und mit dem sogenannten Gleason-Score angegeben.
Der Gleason-Score: Bösartigkeit des Tumors
Mit dem Gleason-Score wird die Abweichung der bösartigen Tumorzellen von den normalen Prostatazellen festgelegt. Die Einteilung wird in einer Skala von 2–10 vorgenommen, wobei ein Tumor mit einem Gleason Score 2 die geringste und ein Tumor mit Gleason-Score 10 die höchste Bösartigkeit aufweist.
Wie sind die Überlebenschancen bei Prostatakrebs?
Das Risiko an einem Prostatakrebs zu sterben hängt mit der Aggressivität des Tumors zusammen. Beispiel: Ein 64-jähriger Mann, mit einem wenig aggressiven Tumor hat ein geringes Risiko. Nur etwa 4% dieser Patienten werden am Prostatatumor sterben.
Bei mittlerer Aggressivität des Tumors hingegen sterben unbehandelt 80% der Patienten in den nächsten 15 Jahren am Prostatakrebs. Je älter der Patient ist und je weniger aggressiv der Tumor ist, desto seltener wird operiert, da der Patient voraussichtlich nicht an den Folgen des langsam wachsenden Prostatatumors sterben wird.
Was bringt die Prostatavorsorge?
Studien zur Frage‚ «Prostatavorsorge Ja oder Nein» gibt es nicht in Hülle und Fülle. In den USA werden seit den frühen 90er Jahren vermehrt Prostata-Screenings (PSA-Tests) bei Männern ab 50 Jahren durchgeführt. Dadurch wurden erheblich mehr Prostatakarzinome entdeckt. Gleichzeitig sanken die Todesfälle durch Prostatakrebs deutlich. In Grossbritannien hingegen – wo keine systematischen PSA-Messungen durchgeführt wurden – sank die Sterberate bei Prostatakrebs kaum und die Zahl der entdeckten Tumore war aufgrund des fehlenden Screenings nur leicht gestiegen.
Laut einer schwedischen Studie aus dem Jahr 2010 haben Männer, die sich einer regelmässigen Prostatavorsorge (PSA-Test) unterziehen, ein um 44% niedrigeres Risiko an einem Prostatakrebs zu sterben, im Vergleich zu Männern ohne Screening.
Experten beurteilen Sinn und Nutzen des PSA-Screenings unterschiedlich
Argumente dafür (Prof. H. Luboldt, Essen)
- Ja, weil Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung beim Mann ist
- Ja, weil eine Heilung von Prostatakrebs nur bei frühzeitiger Erkennung und Therapie möglich ist
- Ja, weil bei einer Operation im Frühstadium weniger Komplikationen auftreten
- Ja, weil in 50% der Fälle bei PSA-Werten über 10ng/ml keine heilende Therapie mehr möglich ist
Argumente dagegen (Prof. Schörder, Rotterdam)
- Nein, weil das grösste Problem der Früherkennung in der Überdiagnostik und Übertherapie liegt
- Nein, weil die Gefahr der Behandlung von nicht relevanten Tumoren mit Operationsfolgen wie Inkontinenz und Impotenz zu gross ist
- Nein, weil für den tatsächlichen Nutzen eines systematischen PSA-Screenings aller Männer ab 50 zurzeit keine wissenschaftlichen Belege vorliegen
PSA-Messempfehlungen des Experten
Der Experte empfiehlt eine individuelle, jährliche PSA-Kontrolle ab 50–70 Jahren. Gesunde, fitte Männer sollten auch nach dem 70. Lebensjahr getestet werden. Da der Prostatakrebs familiär gehäuft vorkommen kann, sollten Männer mit Prostatakrebs in der Familie bereits ab dem 45. Lebensjahr mit der jährlichen PSA-Messung beginnen.
Wenn der Patient selber seinen PSA-Wert kontrolliert haben möchte oder der Urologe eine Messung vorschlägt, muss er über die Aussagekraft des Tests und die möglichen Folgen aufgeklärt werden. Dies gilt vor allem für die eventuell anschliessende Durchführung von Biopsien sowie Behandlungen, die möglicherweise gar nicht notwendig sind. Stichwort: Überbehandlung.
Prostatakrebsbehandlung
Welcher Patient mit Prostatakrebs wird behandelt?
Es gibt heute verschiedene Möglichkeiten den Prostatakrebs zu behandeln. Wichtig ist, dass der Patient über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Behandlung und über mögliche Komplikationen und Risiken (Inkontinenz, Impotenz etc.) gewissenhaft aufgeklärt wird.
Prostatakrebs im Frühstadium kann durch eine Operation und/oder Bestrahlung geheilt werden.
Bei fortgeschrittener Erkrankung ist meist keine heilende Operation mehr möglich, da das Krebsgewebe aufgrund der grossen Ausdehnung des Tumors nicht mehr vollständig entfernt werden kann. Oft hat der fortgeschrittene Krebs bereits auch Metastasen gebildet. Doch auch Metastasen bedeuten heute kein Todesurteil mehr. Bei fortgeschrittenem Prostatakrebs kommt eine Hormontherapie in Frage, meist in Form von Injektionen, die das Fortschreiten des Tumors verzögern kann.
Bestrahlung und Operation – Die heilende Therapie
Bestrahlung
Eine moderne und relativ neue Behandlungsvariante ist die Brachytherapie. Dabei werden mit einer Nadel sogenannte «SEEDS-Stäbchen», die radioaktiv geladen sind, in die Prostata eingebracht. Damit wird die Prostata und der Tumor von innen her bestrahlt. Das bringt den Vorteil, dass nur das Prostatagewebe bestrahlt wird.
Bei der herkömmlichen Bestrahlung von aussen wird hingegen auch umliegendes gesundes Gewebe beziehungsweise Organe wie Blase, Enddarm, Knochen und die Haut durch die Strahlen belastet. Im Gegensatz zu früher hat sich die Bestrahlung aber als Therapie in den letzten Jahren stark verbessert und die Strahlenbelastung hat sich stark vermindert.
Operation (Radikale Prostatektomie)
Bei der Prostataoperation wird die gesamte Prostata mitsamt ihrer Kapsel, den anliegenden Samenbläschen und den örtlichen Lymphknoten entfernt. Für diese, radikale Prostatektomie genannte Operation, stehen in der Regel 3 verschiedene Verfahren zur Verfügung:
- Offene radikale Prostatektomie
- Laparoskopische radikale Prostatektomie
- Computer- und roboterassistierte radikale Prostatektomie (DaVinci-Operation)
Bei allen drei Operationen erfolgt der Zugang zu der Prostata durch die Bauchdecke unter Schonung des Bauchfells, wobei je nach Methode der Schnitt etwas kleiner oder grösser ausfällt. Bei der DaVinci-Methode dauert der Eingriff etwas länger, da das Robotersystem genau auf die Operation eingestellt werden muss.
Hinsichtlich der Resultate sind die drei Methoden gleichwertig. Die Langzeitergebnisse nach der Operation sind bei allen drei Verfahren vergleichbar gut und Komplikationen wie Blutungen, Inkontinenz und Impotenz treten bei allen drei Methoden etwa gleich häufig auf.
Wichtige Überlegungen bei der Wahl der Behandlungsmethode
Welche Behandlungsmethode zum Einsatz kommt, wird letztlich immer im Dialog zwischen Arzt und Patient unter Berücksichtigung der individuellen Situation entschieden.
- Individuelle Entscheidungsfindung zusammen mit dem Patienten, ob der Prostatakrebs überhaupt operiert werden muss.
- Welche Therapie eignet sich für den Patienten am besten?
- Gewichtung des Vertrauens des Patienten in den Arzt und in die Behandlungsmethode
- Gewichtung des Vertrauens des Arztes in den Patienten und in die Behandlungsmethode