In der Schweiz leben derzeit rund 150000 Menschen mit der Diagnose Demenz, und jedes Jahr kommen gut 33000 neue Fälle dazu. Obwohl die Alzheimer-Krankheit und andere zur Demenz führende Erkrankungen behandelbar sind, existiert ein Heilmittel für sie noch nicht. Zum ersten mal stehen derzeit aber zwei Medikamente für die Alzheimer-Demenz kurz vor der Zulassung, die Anlass zur Hoffnung geben, dass sich mit ihnen die Verschlechterung der Krankheit verlangsamen lässt.

Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns, die das Gedächtnis, das Denkvermögen und weitere geistige Fähigkeiten immer stärker beeinträchtigen, darunter die Orientierung, die Sprache und die Auffassungsgabe, was letztlich zu Einschränkungen im Alltag führt. Die häufigste Ursache einer Demenz ist mit rund zwei Dritteln aller Fälle die Alzheimer-Krankheit.

Schädigung von Gehirnzellen

Verursacht werden Demenzerkrankungen durch Schäden an Gehirnzellen, die deren Fähigkeit beeinträchtigen, miteinander zu kommunizieren. Bei der Alzheimer-Krankheit sind die Schäden darauf zurückzuführen, dass es zu Eiweissablagerungen zwischen den Gehirnzellen kommt. Bei einer vaskulären Demenz, der zweithäufigsten Demenzform, werden die Gehirnzellen durch einen Mangel an Blutfluss oder Einblutungen geschädigt, häufig aufgrund von Schlaganfällen.

Neben der Alzheimer-Erkrankung gibt es noch weitere neurodegenerative Erkrankungen, die mit einer Demenz einhergehen, wie z. B. die Lewy-Körper-Demenz und die frontotemporale Demenz. Bei der selteneren Lewy-Körper-Demenz finden sich Ablagerungen in den Gehirnzellen, aber an anderen Stellen als bei Alzheimer.

Als frontotemporale Demenz bezeichnet man eine Gruppe von Erkrankungen, die durch einen Abbau von Gehirnzellen in den frontalen und seitlichen (temporalen) Bereichen des Gehirns gekennzeichnet sind. Warum es dazu kommt, ist nicht vollständig geklärt. Man geht aber davon aus, dass die Krankheit in einigen Fällen durch bestimmte Genmutationen hervorgerufen wird. Das würde zum Teil auch erklären, warum diese Demenzform besonders häufig bei jüngeren Menschen unter 65 Jahren auftritt.

Risikofaktoren

Gewisse Genvarianten spielen auch bei der Entstehung von Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen eine Rolle, allerdings nur selten als alleinige Auslöser. Bei einem Teil der Population erhöhen sie aber das Erkrankungsrisiko. Der weitaus grösste Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz ist indessen das Alter: Ab 65 Jahren verdoppelt sich mit jedem Jahrzehnt das Risiko, an Demenz zu erkranken.

Daneben gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die massgeblich durch den Lebensstil bedingt und damit beeinflussbar sind. Dies gilt insbesondere für die vaskuläre Demenz, aber auch für die Alzheimer-Demenz. Dazu gehören Bluthochdruck und ein hoher Cholesterinspiegel, starkes Übergewicht und Diabetes, Bewegungsmangel und eine unausgewogene Ernährung sowie Rauchen und Alkoholmissbrauch. Schliesslich können auch bestimmte Krankheiten wie Parkinson und Kopfverletzungen das Risiko für eine Demenz erhöhen.

Unterschiedliche Symptomatik

Welche Leitsymptome bei einer Demenz auftreten, hängt davon ab, welche Gehirnbereiche von den Schäden betroffen sind. Alzheimer beeinträchtigt vor allem das Gedächtnis, das Denken und das Ausführen komplexer Tätigkeiten sowie die räumliche Orientierung. Eine vaskuläre Demenz führt zu Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten, zu Schwierigkeiten bei der Handlungsplanung und -ausführung sowie zu Antriebs- und Teilnahmslosigkeit. Frontotemporale Demenzen gehen häufig einher mit Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensauffälligkeiten. Eine Vielzahl weiterer Symptome kann bei allen Demenzen dazukommen.

Umfassende Abklärung

Nicht jede Vergesslichkeit hat ihre Ursache in einer beginnenden Demenz. Sie kann beispielsweise auch durch eine gut behandelbare Altersdepression oder internistische Erkrankungen wie eine Schilddrüsenunterfunktion hervorgerufen werden. Auch andere Krankheiten können demenzähnliche Symptome verursachen. Aus diesem Grund schafft bei Verdacht auf Demenz nur eine umfassende Abklärung durch Spezialistinnen und Spezialisten Klarheit. Am Anfang der Diagnostik stehen Gespräche mit den Betroffenen und ihren Angehörigen zur Erhebung der Krankengeschichte. Anschliessend erfolgen standardisierte neuropsychologische Tests, um die Art und Schwere der kognitiven Beeinträchtigungen zu beurteilen. Dabei müssen die Patientinnen und Patienten verschiedene kognitive Aufgaben lösen. Zur Sicherung der Diagnose und zum Ausschluss anderer Krankheiten können schliesslich auch bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT bzw. MRI) und Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Häufig ist auch eine Untersuchung des Nervenwassers sinnvoll, um spezifische Eiweissveränderungen aufzudecken, wie sie etwa bei der Alzheimer-Erkrankung vorkommen.

Die Diagnostik von Demenz hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Das ist vermutlich ein Hauptgrund dafür, warum immer häufiger auch bei jüngeren Menschen unter 65 Jahren eine Demenz festgestellt wird. Früher wäre sie oft unerkannt geblieben.

Demenz
Abb. 1: Ein Hauptmerkmal der Alzheimer-Krankheit sind Eiweiss Ablagerungen (gelb) zwischen Nervenzellen. (Bilder: Juan Gaertner/ Science Photo Library)
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Abb. 2: In neuen Therapien setzen sich Antikörper (blau) auf die Ablagerungen (gelb-orange) und aktivieren die Immunzellen, die die Ablagerungen «wegfressen».

Krankheitsverlauf

Eine Demenz entwickelt sich in der Regel in drei Phasen: Im Frühstadium sind Symptome wie leichte Vergesslichkeit oder Planungs- und Organisationsschwierigkeiten oft kaum bemerkbar. Im mittleren Stadium treten Gedächtnisverlust, Verwirrung und Persönlichkeitsveränderungen deutlicher zutage. Im Spätstadium sind die Betroffenen zum Teil rund um die Uhr auf Pflege und Betreuung angewiesen. Sie haben z.B. Probleme, ihre Umgebung und die Menschen um sie herum zu erkennen. Dazu kommen körperliche Beeinträchtigungen wie Gehschwäche und Schluckstörungen. Das häufige Verschlucken ist neben einer generell hohen Anfälligkeit für Infektionen der Hauptgrund, warum die Lungenentzündung zu den häufigsten Todesursachen bei Demenz zählt.

Behandlungsformen

Demenzerkrankungen sind bis heute nicht heilbar. Die damit einhergehenden Symptome lassen sich jedoch mit Medikamenten und anderen Therapieansätzen behandeln. Medikamentöse Behandlungen zielen darauf ab, die Symptome hinauszuzögern und abzumildern. Das heisst, sie sollen den kognitiven Einbussen entgegenwirken.

Hierfür gibt es zwei Gruppen von sogenannten Antidementiva: Cholinesterase-Hemmer und Glutamat-Antagonisten. Cholinesterase-Hemmer werden bei leichten bis mittelschweren Alzheimer-Erkrankungen und in einzelnen Fällen auch bei anderen Demenzerkrankungen eingesetzt. Sie verlangsamen den Abbau des chemischen Botenstoffs Acetylcholin im Gehirn, der für das Gedächtnis und das Denken wichtig ist. Glutamat-Antagonisten gelangen bei der moderaten bis schweren Alzheimer-Krankheit zur Anwendung. Sie blockieren die Wirkung von Glutamat, einem chemischen Botenstoff im Gehirn, der bei hoher Konzentration Nervenzellen schädigen kann. Ergänzt werden solche Antidementiva durch Medikamente zur Behandlung von Verhaltenssymptomen, namentlich von Angst, Unruhe, Depressionen und Schlafstörungen.

Neben Medikamenten gibt es auch zahlreiche nicht medikamentöse Ansätze zur Behandlung von Demenz. Sie sollen den Betroffenen so lange wie möglich die Teilhabe am Alltag und am sozialen Leben erlauben. Gleichzeitig steigern sie das allgemeine Wohlbefinden und vermögen herausfordernde Verhaltensweisen abzumindern, z. B. Bewegungsunruhe oder Schreien. Das Spektrum nicht medikamentöser Behandlungen reicht von Gedächtnistraining und Verhaltenstherapie über regelmässige Bewegung und Physiotherapie bis zu Kunst- und Musiktherapie. Dazu kommen eine gesunde Ernährung und soziale Aktivitäten wie Treffen mit Freunden oder gemeinsames Kochen, Singen und Tanzen. In der Demenz-Prävention stehen die oben genannten Lebensstil- und Gefäss-Risikofaktoren im Vordergrund.

Neue Hoffnung

Mit den bisherigen Medikamenten gelingt es, die Symptome einer Demenz zu lindern. Sie sind aber nicht in der Lage, das Fortschreiten der Erkrankung, d.h. den Abbau von Gehirnzellen, zu verlangsamen. Mit modernen Antikörpertherapien könnte das bei der Alzheimer-Erkrankung in Zukunft zum ersten Mal gelingen. Konkret wird für zwei solche Medikamente eine baldige Zulassung erwartet, für Lecanemab von Eisai und für Donanemab von Eli Lilly. Beide Medikamente zielen auf die Eiweissablagerungen zwischen den Gehirnzellen ab, die die Ursache für die Alzheimer-Krankheit sind: Die Antikörper setzen sich auf diese Ablagerungen drauf und aktivieren die Immunzellen des Gehirns, die die Ablagerungen sodann «wegfressen» (vgl. Abb. 2). Diese neuen Therapieansätze stellen einen potentiellen Fortschritt in der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung dar. Die Indikationsstellung muss aber individuell nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, und die Patienten sind während der Behandlung in einem spezialisierten Zentrum engmaschig zu begleiten.

Klinik für Neurologie Hirslanden
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Artikel von:

Facharzt für: Neurologie
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Medienverantwortliche

Regina Gerdes
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Leiterin Marketing & Kommunikation
Klinik Hirslanden