Stark übergewichtige Menschen haben ein erhöhtes Risiko für viele ernsthafte Krankheiten. Die gute Nachricht ist, dass schon ein geringer Gewichtsverlust dieses Risiko deutlich reduziert. Heute gibt es eine ganze Reihe von Methoden und Behandlungen zur Gewichtsabnahme, die je nach Ausgangsgewicht und Begleiterkrankung unterschiedlich miteinander kombiniert werden können. In jedem Fall Bedarf es aber einer Verbesserung der Ernährung und einer Steigerung der körperlichen Aktivität.
Übergewicht ist eine globale Pandemie, die auch die Schweiz betrifft. In den letzten 25 Jahren hat sich der Anteil stark übergewichtiger, d. h. adipöser Personen hierzulande von 5 % auf 11 % mehr als verdoppelt. Weitere 31 % der Bevölkerung sind übergewichtig.
Übergewicht entsteht, wenn wir mehr Energie in Form von Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen. Diese überschüssige Energie wird dann als Fett in den Fettzellen abgelagert. Die Ursachen dafür sind zu 95 % auf den Lebensstil zurückzuführen, hängen also mit einem falschen Ess- und Trinkverhalten sowie mit mangelnder Bewegung zusammen. Dennoch wäre es eine unfaire Verkürzung, Übergewicht einfach nur auf Disziplinlosigkeit und Bewegungsfaulheit zurückzuführen.
Adipositas ist eine komplexe Krankheit, die durch viele Faktoren begünstigt wird. So haben etwa die Gene einen Einfluss darauf, wie effizient Nahrung in Energie verwandelt wird, wie viel Fett wo im Körper gespeichert wird und wie der Körper sowohl den Hunger als auch die Sättigung reguliert. Das Risiko für Übergewicht ist ausserdem erhöht, wenn die Mutter während der Schwangerschaft geraucht hat. Zu einer Gewichtszunahme führen können neben vielen anderen Faktoren auch stressbedingter Schlafmangel und bei Frauen Schwangerschaft, Verhütung und Menopause.
In weniger als 5 % der Fälle findet sich eine sogenannte sekundäre Adipositasursache. Dazu zählen bestimmte Genmutationen, eine Reihe von Medikamenten sowie verschiedene Stoffwechselerkrankungen.
Vor Beginn einer Behandlung werden die jeweiligen Ursachen an einem spezialisierten Zentrum wie dem Adipositas und StoffwechselZentrum Zürich genau abgeklärt.
Body-Mass-Index (BMI)
Die Einteilung des Körpergewichts erfolgt anhand des Body-Mass-Indexes (BMI). Hierfür wird das Körpergewicht durch das Quadrat der Körpergrösse geteilt (kg/m2). Ein Bodybuilder kann allerdings ebenfalls einen adipösen BMI aufweisen. Die Körperzusammensetzung wird deshalb auch mit der Bioelektrischen Impedanzanalyse (BIA) erfasst. Dabei wird der elektrische Widerstand des Körpers gemessen, um den Anteil von Fettmasse und fettfreier Masse zu bestimmen. Wichtig ist hierbei die Bestimmung des besonders krankmachenden Bauchfetts.
Warum Übergewicht krank macht
Je mehr Übergewicht man aufweist, desto krankmachender ist es. Dies kommt daher, dass die Fettzelle (Adipozyt) mehr als nur eine Energie speichernde Zelle ist. Sie produziert auch viele Hormone, sogenannte Adipokine. Diese beeinflussen den Blutfett- und den Blutzuckerstoffwechsel, das Hunger- und Sättigungsgefühl, den Energieumsatz und das Immunsystem.
Dadurch sind die Adipokine auch an der Entstehung vieler Krankheiten beteiligt: an Entzündungsprozessen, an der Insulinresistenz und in der Folge an Diabetes mellitus Typ 2, an der Arteriosklerose, der Thrombosebildung und am Bluthochdruck. Übergewichtige erkranken zudem häufiger am obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom, an einer Gelenkentzündung (Arthritis) und an Asthma. Schliesslich steigt parallel zum BMI auch das Risiko, an mehr als 13 Krebsarten zu erkranken.
Nicht heilbar, aber behandelbar
Eine Gewichtsreduktion ist bei Übergewicht daher unbedingt und frühzeitig anzustreben. Dies gilt umso mehr, als unser Körper nicht für das Normalgewicht geeicht ist. Er will das Leben lang zurück auf das Maximalgewicht. Der Grund dafür liegt in unserer Evolutionsgeschichte, in der Nahrung meistens knapp war. Übergewicht war nie das Problem, sondern immer nur Untergewicht. Unabhängig davon, wie man Gewicht verliert, trifft der Körper deshalb Gegenmassnahmen: Mit jedem abgenommenen Kilo hat man hormongesteuert mehr Hunger und wird weniger schnell satt, sodass man häufiger und mehr isst. Gleichzeitig reduziert der Körper den Energieverbrauch. Das zusammen führt unweigerlich zu einem Gewichtsanstieg und so zum gefürchteten Jo-Jo-Effekt. Je radikaler eine Diät ist, desto stärker fallen die Gegenmassnahmen des Körpers aus.
Vor diesem Hintergrund ist Adipositas als chronische und nicht heilbare Erkrankung zu betrachten. Das bedeutet, dass alle Massnahmen, mit welchen man eine Gewichtsreduktion erreicht hat, lebenslang fortgeführt werden müssen. Das gelingt nur, wenn sie nicht mit Leiden, Entbehren oder Hungern verbunden sind.
Therapiemöglichkeiten
Um erfolgreich und vor allem dauerhaft das Gewicht zu reduzieren, braucht es eine kompetente Betreuung durch ein Team aus Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener medizinischer Fachrichtungen und der Ernährungsberatung. Die Therapie von Übergewicht beruht dabei auf einem Stufenschema. Das heisst: Mit steigendem BMI kommen weitere Massnahmen dazu (vgl. Abb. 1).
Konservative Diät
Unter einer konservativen Diät versteht man eine Optimierung der Lebensgewohnheiten. Bei einem BMI zwischen 25 und 30 genügt eine Verbesserung der Ernährung und der körperlichen Aktivität. Ziel ist es, einen Kohlenhydratüberschuss zu vermeiden, den Fettgehalt im Essen zu reduzieren und sich 150 Minuten pro Woche zu bewegen.
Bei einem BMI ab 30 ist eine hypokalorische Ernährung angezeigt. Damit ist eine Reduktion der täglichen Kalorienzufuhr um 500–1 000 kcal gemeint. Die Ernährung ist aber dem gewohnten Essverhalten anzupassen. Nur so lässt sich die Diät unbeschränkt fortführen. Am besten gelingt das mit einer Ernährungsberatung.
Medikamentöse Begleittherapie
Bei einem BMI über 30 bzw. über 27, wenn Begleiterkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus Typ 2 oder Bluthochdruck vorliegen, kann eine medikamentöse Begleittherapie begonnen werden. Sie dient dazu, sich an die Diät zu gewöhnen. Man darf sich aber nie auf das Medikament allein verlassen, da es sonst nach dem Absetzen wieder zum Gewichtsanstieg, meist über das Ausgangsgewicht hinaus, kommt.
Aktuell gibt es in der Schweiz zwei dafür zugelassene Medikamente, die Tablette Orlistat (Xenical®, Generika) und die Spritze Liraglutid (Saxenda®). Orlistat blockiert im Darm das fettspaltende Verdauungsenzym Lipase zu etwa 30 %, so dass rund ein Drittel des konsumierten Fetts mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Orlistat ist also kein Appetitzügler, sondern zwingt einen, fettarm zu essen. Je mehr Fett man isst, desto mehr Fett scheidet man aus und desto dünnflüssiger wird der Stuhl. Ziel ist es, auch unter dieser Medikation normal geformten Stuhl zu haben. Dann hält man eine korrekte fettarme Diät ein – im Idealfall auch nach Absetzen des Medikaments. Mit Hilfe von Orlistat vermag man eine dauerhafte Gewichtsreduktion von etwa 5 % zu erreichen.
Liraglutid (Saxenda®) ahmt das sättigende Hormon GLP-1 nach. Es ist das erste zugelassene Medikament, das den Appetit hemmt und das Sättigungsgefühl steigert. (Ganz neu ist in der Schweiz auch das nur einmal wöchentlich zu spritzende Semaglutid (Wegovy®) erhältlich. Derzeit ist allerdings noch ungewiss, ob und wann dieses Medikament auch kassenpflichtig wird.) Liraglutid wird sehr geschätzt: 92 % nehmen damit ab, hierbei 63 % mehr als 5 %. Bei Patientinnen und Patienten mit Prädiabetes entwickeln im Vergleich zur Placebogruppe etwa 80 % weniger häufig einen Diabetes mellitus Typ 2.
Eine konservative Diät ist aus ernährungsphysiologischer Sicht erfolgreich, wenn eine dauerhafte Gewichtsreduktion von 5 % bis 15 % erreicht wird. Dabei gilt: Weniger ist mehr, wenn das Wenige dafür dauerhaft gehalten werden kann: Eine Gewichtsreduktion von 10 kg senkt die Gesamtsterblichkeit um 20 %, das Diabetesrisiko um 50 %, die Adipositas-assoziierten Krebstodesfälle um über 40 % und den Blutdruck sowie das Gesamtcholesterin um etwa 10 %.
Bariatrische Chirurgie
Bei einer ausgeprägten Adipositas ist mit einer konservativen Diät oft keine gesundheitsrelevante Gewichtsreduktion mehr zu erreichen, weshalb bei einem BMI über 35 die Übergewichtschirurgie, die bariatrische Chirurgie, vielfach die erfolgversprechendste Therapie ist. Als besonderer Fall gilt ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus Typ 2. Hier kann bereits ab einem BMI von 27 eine Magenbypassoperation durchgeführt werden. Im Durchschnitt ist eine dauerhafte Gewichtsabnahme von 30 % zu erwarten – aber nur, wenn eine konservative Diät lebenslang fortgeführt wird.
Vor einem bariatrischchirurgischen Eingriff müssen indessen ausführliche Abklärungen gemäss den geltenden Richtlinien der Swiss Society for the Study of morbid Obesity durchgeführt werden, wozu es ein eingespieltes interdisziplinäres Team an einem Adipositaszentrum wie dem unseren braucht.
Magenbypass und Schlauchmagen
Der in der Schweiz häufigste bariatrische Eingriff ist die Magenbypassoperation, gefolgt von der Schlauchmagenoperation. Beim Magenbypass wird ein Grossteil des Magens umgangen und eine kleinere Magentasche direkt mit dem Dünndarm verbunden, um sowohl die Nahrungsaufnahme als auch die Nährstoffabsorption zu reduzieren. Beim Schlauchmagen wird ein Teil des Magens entfernt, um seine Grösse zu reduzieren und die Nahrungsaufnahme zu begrenzen. Beide Eingriffe werden minimalinvasiv durchgeführt. Die früher oft praktizierte Methode des Magenbands wird aufgrund häufiger Komplikationen heute kaum mehr angewendet.
Der gesundheitliche Nutzen eines bariatrischen Eingriffs ist erwiesen. In einer Studie zeigte sich, dass nach 20 Jahren das Risiko für einen Herzinfarkt um 37 % niedriger war als bei nicht-operierten Adipösen, die Sterblichkeit sank im Vergleich zu diesen sogar um 29 %. Schliesslich waren auch noch zwei Jahre nach einer Magenbypassoperation 72 % der Typ-2-Diabetiker von ihrem Diabetes befreit und bedurften hierfür keine Medikamente mehr.
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