Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist eine spezialisierte Methode der künstlichen Befruchtung, die Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch neue Perspektiven eröffnet. Bei der ICSI wird im Labor eine ausgesuchte Samenzelle direkt in eine Eizelle injiziert. Besonders bei schwerwiegenden Störungen der männlichen Fruchtbarkeit, wie einer eingeschränkten Spermienqualität, wird die ICSI häufig als geeignete Behandlungsmethode in Betracht gezogen.

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ICSI im Überblick

Die intracytoplasmatischen Spermieninjektion gehört zu den fortschrittlichsten Verfahren der assistierten Reproduktionstechnologie (ART). Dabei wird ein einzelnes Spermium direkt in die entnommene Eizelle eingesetzt. Diese Form der künstlichen Befruchtung findet im Labor statt und wird insbesondere durchgeführt, wenn der Mann in seiner Fruchtbarkeit beeinträchtigt ist.

ICSI vs. IVF

Bei einer herkömmlichen In-Vitro-Fertilisation (IVF) werden 100.000 Samenzellen mit der Eizelle im Reagenzglas zusammengebracht. Ist die Spermienqualität des Mannes ungenügend, oder werden nicht ausreichend Samenzellen produziert, ist eine herkömmliche IVF nicht erfolgversprechend. Die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) hingegen schon: Der Vorteil dieser Behandlungsmethode liegt darin, dass nur eine einzige Samenzelle benötigt wird. Die Eizelle wird von erfahrenen Biologen gezielt mit einem ausgewählten, schnellen und optisch einwandfreien Spermium befruchtet.

Behandlungsziel

Das Hauptziel einer ICSI-Behandlung ist es, eine Befruchtung auch unter erschwerten Bedingungen zu ermöglichen und die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft zu erhöhen. Die ICSI ist insbesondere für Paare geeignet, bei denen eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

  •  Stark eingeschränkte Spermienqualität (z. B. niedrige Anzahl, geringe Beweglichkeit, abnorme Form).
  • Vorangegangene fehlgeschlagene Befruchtungen bei einer klassischen IVF.
  • Vorhandensein von Antikörpern im Sperma, die die Spermienbeweglichkeit beeinträchtigen.
  • Nutzung von eingefrorenem oder chirurgisch gewonnenem Sperma (z. B. nach Vasektomie oder Hodenerkrankungen).

Voraussetzungen einer ICSI-Behandlung

Um eine ICSI-Therapie medizinisch sicher und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in der Schweiz durchführen zu können, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:

  • Es sind grundlegende Untersuchungen erforderlich, darunter Hormonanalysen bei der Frau, Ultraschalluntersuchungen und ein Spermiogramm des Mannes.
  • Das Alter der Frau sollte idealerweise nicht über 43 bis 44 Jahre liegen, während das Höchstalter für den Mann bei 63 bis 65 Jahren liegt.
  • Beide Partner müssen einen negativen Test auf HIV, Hepatitis B/C und Syphilis vorweisen.
  • Es ist notwendig, dass bei der Frau eine Immunität gegen Röteln und Windpocken besteht.
  • Es muss sich um eine stabile Partnerschaft handeln (Eheschliessung ist nicht zwingend erforderlich).

Ablauf der ICSI

Phase 1: Hormonelle Stimulation der Eierstöcke

Nach einem ausführlichen Beratungsgespräch mit einem Facharzt für Reproduktionsmedizin überprüft dieser die Spermienqualität des Mannes und führt bei der Frau eine Hormonbehandlung durch. Das verhindert einen vorzeitigen Eisprung und regt die Eierstöcke an, mehrere Eibläschen gleichzeitig reifen zu lassen.

Phase 2: Entnahme der Eizellen

In den folgenden zwei Wochen prüft der Arzt bei regelmässigen Kontrolluntersuchungen, wie weit die Eizellen herangereift sind und ob der Eisprung ausgelöst werden kann. Ist dieser Moment gekommen, entnimmt der Arzt die Eizellen aus den Eierstöcken. Die Eizellentnahme erfolgt ambulant und die Klinik kann noch am selben Tag verlassen werden.

Phase 3: Entnahme und Aufbereitung der Spermien

Der Mann gibt gleichentags eine Samenprobe ab. Diese wird mit verschiedenen Methoden wie z.B. der sogenannten physiologischen Spermienselektion aufbereitet, um die geeignetsten Spermien auszuwählen.

Phase 4: Injektion der Samenzelle

Nun kommt es zur eigentlichen intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI): Die Samenzelle wird direkt in die Zellflüssigkeit der Eizelle übertragen. Diese Eizellen werden nun drei bis fünf Tage lang zu Embryonen entwickelt und beobachtet.

Phase 5: Embryotransfer

Anschliessend überführt der behandelnde Facharzt ein bis zwei Embryonen zurück in die Gebärmutter der Frau (Embryotransfer).

Phase 6: Kryokonservierung

Haben sich weitere Embryonen gut entwickelt, so werden sie auf Wunsch in flüssigem Stickstoff eingefroren und im Labor gelagert. Sie stehen für eventuelle weitere Behandlungen in Zukunft zur Verfügung.

In besonderen Situationen kommen an Stelle der normalen ICSI-Behandlung Sonderformen zum Einsatz, wie beispielsweise die pICSI (Physiologische ICSI, bei der sich optimale Spermien selbst präsentieren), IMSI (besonders detaillierte Analyse des Spermiums unter dem Spezialmikroskop) oder Co-Behandlung mit Calciumionophor.

Vorbereitung & Vorsorge

Eine gründliche Vorbereitung ist entscheidend für den Erfolg einer ICSI-Therapie. Dazu gehört zunächst eine Reihe von Untersuchungen: Der Hormonstatus der Frau wird überprüft, um die Eizellreserve und den Zyklusverlauf zu beurteilen, während beim Mann ein Spermiogramm erstellt wird, das Aufschluss über Anzahl, Beweglichkeit und Form der Spermien gibt. Blutuntersuchungen helfen, Infektionen, genetische Auffälligkeiten oder gesundheitliche Risiken frühzeitig zu erkennen. Ergänzend dazu werden mittels Ultraschall Gebärmutter und Eierstöcke untersucht.

Neben diesen medizinischen Vorbereitungen spielt ein gesunder Lebensstil eine wichtige Rolle. Der Verzicht auf Nikotin und Alkohol sowie eine ausgewogene Ernährung können die Fruchtbarkeit unterstützen. Ebenso hilft es, Stress aktiv zu reduzieren – sei es durch gezielte Entspannungstechniken oder eine professionelle Beratung.

Nachsorge & Genesung 

Nach der ICSI-Therapie ist Geduld gefragt. Mit regelmässigen Bluttests und Ultraschalluntersuchungen wird die Entwicklung des Embryos überwacht, während sich die Patientin körperlich schonen sollte. Rund zwei Wochen nach dem Embryotransfer gibt ein Bluttest Aufschluss darüber, ob die Behandlung erfolgreich war. Nach etwa vier Wochen erfolgt in der Regel der erste Ultraschall, dabei wird überprüft, ob sich die Fruchtblase in der Gebärmutter entwickelt hat und ob ein Herzschlag des Embryos sichtbar ist.

Sollte die Behandlung nicht erfolgreich sein, besteht die Möglichkeit, weitere Versuche mit eingefrorenen Embryonen durchzuführen. In dieser emotional herausfordernden Zeit kann eine psychologische Begleitung wertvolle Unterstützung bieten, um den Umgang mit Rückschlägen zu erleichtern und neuen Mut zu fassen.

Mögliche Komplikationen

Die ICSI ist ein etabliertes und sicheres Verfahren, dennoch können in seltenen Fällen Komplikationen auftreten:

  • Ovarielles Hyperstimulationssyndrom (OHSS): Eine Überstimulation der Eierstöcke durch Hormone, die Schmerzen oder Flüssigkeitsansammlungen verursachen kann.
  • Mehrlingsschwangerschaften: Durch den Transfer von mehr als einem Embryo kann es zu Mehrlingsgeburten kommen.
  • Eileiterschwangerschaft: Wie auch bei der natürlichen Empfängnis, kann sich der Embryo in seltenen Fällen im Eileiter einnisten.
  • Infektionen: In sehr seltenen Fällen können nach der Einzelentnahme Infektionen auftreten.
  • Psychologische Belastung: Der emotionale Druck, der während der Behandlung entstehen kann, ist nicht zu unterschätzen und verdient besondere Aufmerksamkeit.

Erfolgsaussichten

Die Erfolgschancen einer ICSI hängen massgeblich vom Alter der Frau und ihrer individuellen Eizellreserve ab. Ab dem 35. Lebensjahr sinken die Erfolgsaussichten deutlich und halbieren sich bis zum 40. Lebensjahr.

Während der Abklärungsphase werden verschiedene Tests durchgeführt, die eine relativ genaue Einschätzung der Erfolgsaussichten ermöglichen. Ihr behandelnder Arzt wird Sie ausführlich darüber informieren, wie realistisch die Erfüllung Ihres Kinderwunsches in Ihrem individuellen Fall ist.

Rechtliche Grundlagen

In der Schweiz wird die künstliche Befruchtung durch das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) geregelt, das klare ethische und rechtliche Rahmenbedingungen vorgibt. So steht die Behandlung lediglich Paaren offen, die entweder verheiratet sind oder in einer stabilen Partnerschaft leben. Pro Behandlungszyklus dürfen bis zu drei Embryonen erzeugt und transferiert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen, wie bei einem erhöhten Risiko für schwere Erbkrankheiten oder zur Vermeidung von Chromosomenanomalien, ist auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) erlaubt. Die Auswahl von Embryonen nach Geschlecht oder äusseren Merkmalen ist hingegen gesetzlich verboten. Embryonen können kryokonserviert und für bis zu zehn Jahre gelagert werden, um sie in späteren Behandlungszyklen zu nutzen. Verfahren wie die Eizellenspende und Leihmutterschaft sind in der Schweiz nicht gestattet.

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