Nackenschmerzen – harmlos oder chronisch?
PDF | 159.71 KB
Mit der immer älter werdenden Bevölkerung steigt auch die Zahl der Patienten, die an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule erkranken. Heute gehören Rückenleiden nebst Herzproblemen zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch. Dabei ist oft auch der Nacken betroffen.
Im Bereich der Halswirbelsäule unterscheidet der Facharzt zwischen reinen Nackenbeschwerden (Zervikalgien, Zervikalsyndrom) und Nackenschmerzen, die bis in einen Arm ausstrahlen (Zervikobrachialgie). In seltenen Fällen können auch beide Arme oder sogar die Beine betroffen sein.
Nackenschmerzen sind häufig, aber meist harmlos. Die Halswirbelsäule ist durch ihre Beweglichkeit und ihren schlanken Muskelmantel im Alltag extremen Belastungen ausgesetzt. Dadurch erfahren die Halswirbelkörper und die dazwischen liegenden Bandscheiben degenerative Veränderungen, die schmerzen können. Trotzdem ist der Grund von Nackenschmerzen selten eindeutig. Ähnlich sieht es beim sogenannten «Schleudertrauma» aus. Selbst mit modernen bildgebenden Verfahren kann die Ursache der Schmerzen meist nicht identifiziert werden. Dies erschwert die Therapie.
Deshalb ist in diesen Situationen fast immer Zurückhaltung mit operativen Behandlungsverfahren geboten. Stattdessen sollte versucht werden, die Schmerzen mit einer vorübergehenden, schmerzstillenden Behandlung und physikalischen Massnahmen zu durchbrechen. Das Tragen eines weichen Kragens kann den Heilungsverlauf unterstützen, sollte aber nur in der Akutphase (während zwei bis drei Wochen) angewandt werden. In gewissen Fällen können auch Infiltrationen der Wirbelgelenke Linderung bringen. Grundsätzlich sind Bewegung und das Herantasten an die Schmerzgrenze immer besser als das Verharren in Ruhe. Halten derartige Schmerzzustände über eine längere Zeit an, leiden Patientinnen und Patienten häufig an unspezifischen Begleitsymptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel oder Konzentrationsstörungen.
Nur selten lässt sich im Rahmen einer bildgebenden Abklärung eine spezifische Ursache nachweisen. Dazu gehören Brüche von Halswirbelkörpern, Instabilitäten oder auch Tumore. Diese bedürfen dann einer Beurteilung und Behandlung durch den Spezialisten. In diesen Situationen kann eine operative Behandlung angezeigt oder sogar unerlässlich sein.
Am bekanntesten dürften die lästigen Nacken- und Armschmerzen sein, die als Folge eines Bandscheibenvorfalls auftreten. Bei Patienten ab zirka 50 Jahren können diese Schmerzen auch durch eine foraminale Stenose verursacht werden. Dies ist eine knöcherne Einengung an der Stelle, wo der Nerv aus dem Rückenmarkskanal austritt. Dabei können (Arm-)Schmerzen, Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen auftreten. Wenn Schmerzen dominieren und keine schwerwiegenden Lähmungserscheinungen vorhanden sind, ist zuerst eine konservative Therapie angezeigt. Diese besteht aus einer Schmerzbehandlung – gegebenenfalls ergänzt durch physikalische Massnahmen. Damit erfahren die meisten Patienten eine Besserung und können bald wieder ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen. Trotzdem ist im Heilungsverlauf Geduld angesagt. Infiltrationen im Rückenmarkskanal und im Bereich der austretenden Nerven (nicht zu verwechseln mit den oben erwähnten Infiltrationen der Wirbelgelenke) werden im Bereich der Halswirbelsäule selten durchgeführt, weil diese nicht so risikoarm sind wie jene in der Lendenwirbelsäule.
Treten funktionell beeinträchtigende Lähmungserscheinungen auf oder bleiben Armschmerzen in unerträglichem Rahmen über längere Zeit bestehen, muss sich der Patient mit der Möglichkeit einer operativen Behandlung auseinandersetzen. Die Operation ist meist auch bei foraminalen Stenosen angebracht, weil sich die unverrückbare, knöcherne Verengung anders kaum beeinflussen lässt.
Obwohl die Operation dem Patienten viel Respekt einflösst, kann sie meist eine rasche Schmerzlinderung erzielen. Die Erholung von Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen dauern aber meist Wochen bis Monate. Bei der Operation wird in der Regel von vorne auf die Wirbelsäule zugegangen, die Bandscheibe mitsamt Vorfall entfernt und anstelle derer ein Platzhalter (Cage) oder eine Prothese eingesetzt. Beide Implantate erzielen sehr gute Resultate, weshalb die teurere Prothese nur in ausgewählten Fällen eingesetzt wird.
Selten kann auch der Rückenmarkskanal eingeengt sein. Der Verlauf ist meist schleichend und das klinische Bild anfangs unspezifisch. Oft entwickeln diese Patienten zuerst schmerzlose Gangstörungen. Erst im weiteren Verlauf können weitere neurologische Störungen hinzukommen, die den Arzt dann zur Diagnose führen. In dieser Situation ist eine operative Erweiterung des Rückenmarkskanals angebracht, die in erster Linie eine weitere Verschlechterung verhindern soll.