Was tun bei chronischen Schmerzen?
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Die überwiegende Zahl der Besuche beim Hausarzt erfolgt wegen Schmerzen. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn sie länger als drei bis sechs Monate andauern. Je länger der Schmerz andauert, umso weitreichender sind seine Auswirkungen. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig die richtige Schmerzdiagnose zu stellen und die geeignete Behandlung einzuleiten.
Häufig ist weder in Röntgenbildern noch in Computer- oder Kernspintomogrammen erkennbar, warum die Betroffenen Schmerzen haben. Diese Tatsache bedeutet nicht automatisch, dass jemand ohne sichtbare Schmerzursache ein eingebildeter Kranker oder psychisch krank ist. Vielmehr zeigt sich hier, dass unsere diagnostischen Möglichkeiten bislang nicht ausreichend sind, um Schmerz sichtbar zu machen.
Dazu kommt, dass die Ergebnisse der radiologischen Abklärungen nicht immer mit den beklagten Symptomen übereinstimmen. Einerseits gibt es Befunde ausserhalb der Norm, die nicht zu Krankheitszeichen führen. Andererseits gibt es Bilder von normalem Aussehen bei offensichtlich schmerzgeplagten Menschen.
Benötigt wird also ein weiteres diagnostisches Mittel, um die schmerzverantwortlichen Strukturen zu evaluieren: die interventionelle Schmerzdiagnostik. Der Begriff interventionell leitet sich von Intervention (Eingriff) ab. Dabei werden unter Bildwandlerkontrolle die in Frage kommenden Strukturen einzeln mit einem kurzwirksamen örtlichen Betäubungsmittel betäubt. Wenn der beklagte Schmerz infolge der Injektion deutlich reduziert wird oder verschwindet, kann man davon ausgehen, dass er am Injektionsort entsteht.
Eine wichtige Voraussetzung für ein zuverlässiges Ergebnis durch die interventionelle Schmerzdiagnostik ist, dass der Patient zum Zeitpunkt der Durchführung Schmerzen hat oder dass er die zu untersuchenden Schmerzen provozieren kann.
Leider spielt uns bei dieser Untersuchungsart unsere Psyche manchmal einen Streich. Aus Studien wissen wir, dass ein Teil des positiven Effektes nach interventioneller Diagnostik auf einem Placebo-Effekt beruht. Das heisst, dass die erzielte Wirkung unabhängig vom injizierten Medikament auftreten kann. Hier liegt ein wesentlicher Grund dafür, dass die therapeutischen Eingriffe in einigen Fällen nicht den gewünschten Erfolg haben können. Dennoch bleibt die interventionelle Schmerzdiagnostik ein wertvolles Instrument bei der Erkennung der Schmerzursachen.
Nach erfolgter positiver diagnostischer Abklärung kann in einem zweiten Schritt an derselben Stelle die eigentliche gezielte Behandlung – die interventionelle Schmerztherapie – durchgeführt werden.
Eine Möglichkeit der gezielten Therapie besteht in der Gabe von entzündungshemmenden Mitteln (Corticoiden) direkt an den Ort der Schmerzentstehung. Corticoide sind Medikamente, die vom körpereigenen Cortison abgeleitet wurden. Sie sind aufgrund der chemischen Veränderungen gegenüber der natürlichen Substanz länger wirksam und können daher über eine längere Zeit therapeutisch wirken.
Die Corticoide sind seit Langem immer wieder in der Kritik, weil sie zahlreiche Nebenwirkungen entfalten. Viele Menschen lehnen deshalb Injektionen mit einer solchen Substanz ab. Der grösste Anteil der Nebenwirkungen entsteht jedoch nur im Rahmen einer Langzeitanwendung der Substanz, wie sie beispielsweise bei Asthma oder rheumatischen Erkrankungen erforderlich sein kann. Lediglich die Erhöhung des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern ist eine regelmässig zu beobachtende Corticoid-Nebenwirkung, mit der nach jeder Injektion zu rechnen ist.
Ein weiteres Verfahren ist die sogenannte Radiofrequenztherapie, bei der die Schmerzimpulse mittels eines hochfrequenten Stromes direkt am Ausgangsort selektiv und langfristig unterdrückt werden können.
Wir wissen, dass chronische Schmerzen nachhaltig zu Veränderungen des gesamten Nervensystems führen. Unter dem Begriff «Neuromodulation» werden Behandlungsmethoden zusammengefasst, die direkt am zentralen Schmerzleitungssystem in Gehirn und Rückenmark angreifen und dadurch die Schmerzübertragung beeinflussen. Dies geschieht entweder über eine Medikamentenabgabe direkt in die Rückenmarksflüssigkeit via spezieller implantierter Medikamentenpumpen oder Implantation eines elektrischen Impulsgebers (vergleichbar mit einem Herzschrittmacher). Beide Verfahren sind aufwändig und kostspielig. Sie werden daher in der Regel erst eingesetzt, wenn die anderen Therapien nicht zum Erfolg geführt haben. Ausserdem kommen sie nur bei bestimmten Schmerzarten zum Einsatz.