Patientenzeitschrift "Am Puls der Medizin"

Lebererkrankungen sind nicht immer harmlos und können vielfältige Ursachen haben. Um rechtzeitig die richtige Behandlung zu bekommen, sollte man eine Abklärung beim Spezialisten – dem Hepatologen – vornehmen lassen.

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Vor allem Medikamente und Alkohol können Ihre Leberwerte beeinträchtigen.

Zu Unrecht als Trinker verdächtigt

Andreas Zbinden ist 43 Jahre alt, fühlt sich wohl und war zeit seines Lebens gesund. Daher kann er kaum glauben, was ihm sein Hausarzt bei der letzten Routinekontrolle mitteilt: Die Leberwerte sind deutlich erhöht. Der Hausarzt empfiehlt weitere Blutanalysen und eine Ultraschalluntersuchung. Dann spricht er ihn auf seinen Alkoholkonsum an. Andreas wundert sich, denn er trinkt nur gelegentlich ein Glas guten Rotwein. «Was heisst ‹gelegentlich›?», fragt der Hausarzt, und Andreas versucht, eine möglichst ehrliche Antwort zu geben: «Am Wochenende etwa 1 Flasche Rotwein, meist zusammen mit meiner Frau.» Selten trinkt er unter der Woche Alkohol, da er morgens früh aufstehen muss und nach Weingenuss am Vorabend nicht in Schwung kommt. Trotzdem, der Hausarzt rät ihm, einmal 6 Wochen komplett auf Alkohol zu verzichten und dann die Werte nochmals kontrollieren zu lassen. Andreas schafft das mühelos und lässt die Werte nach dieser Zeit erneut bestimmen. Dann die böse Überraschung – die Werte sind weiter erhöht, sogar noch ein wenig angestiegen! Der Hausarzt scheint ihm die Alkoholpause nicht wirklich zu glauben, sodass Andreas fast ein wenig ärgerlich wird. Er einigt sich mit dem Hausarzt auf eine Vorstellung beim Spezialisten, um der Sache auf den Grund zu gehen.

So wie Andreas geht es vielen Patienten mit erhöhten Leberwerten. Meist werden diese auf ihren Alkoholkonsum angesprochen. Manche trinken in der Tat zu viel und zu regelmässig, und Alkohol ist einer der häufigsten Gründe für Leberwerterhöhungen. Aber bei vielen Menschen findet man ganz andere Ursachen. Leberwerterhöhungen können vergleichsweise harmlose Ursachen, wie einen grippalen Infekt, haben oder aber Zeichen einer chronischen Störung sein, die unbehandelt schwerwiegende Folgen haben könnte. Daher sollten längerfristig erhöhte Leberwerte unbedingt abgeklärt werden.

Andere Ursachen

Die häufigsten Ursachen sind, neben dem bereits erwähnten Alkoholkonsum, Übergewicht und damit zusammenhängende Stoffwechselstörungen, wie Zuckerkrankheit und hohe Blutfettwerte, sowie chronische Infektionen mit Hepatitisviren. Aber auch Medikamente und seltenere Erkrankungen der Leber durch Immunsystemstörungen können Leberschäden auslösen. Manchmal führen Gallensteine zu Leberwerterhöhungen, oder, wenn auch seltener, sind es Krebserkrankungen, die die Leber in Mitleidenschaft ziehen. Die Ursache der Leberwerterhöhung kann letztlich nur durch spezielle Untersuchungen ermittelt werden. Die häufigsten, aber bei Weitem nicht alle Ursachen von Leberwerterhöhungen sind Medikamente, Überernährung, Alkohol, Infektionen und Stoffwechselstörungen.

Abklärung beim Hepatologen

Andreas ist mit dem Vorschlag des Hausarztes einverstanden, sich bei einem Spezialisten vorzustellen, und bekommt 14 Tage später einen Termin bei einem Hepatologen. «Hepatologie» leitet sich vom Wort altgriechischen Wort «hepar» (Leber) ab und ist ein Fachgebiet der Inneren Medizin, das sich der Diagnose und Behandlung von Leberkrankheiten widmet. Was erwartet ihn dort? Zunächst fragt der Hepatologe Dr. Samuel Kunz Andreas nach derzeitigen Beschwerden, Medikamenten, seinen Lebensgewohnheiten, früheren Erkrankungen und nach Krankheiten von blutsverwandten Familienmitgliedern. Andreas' Vater starb mit 54 Jahren an einer Lebererkrankung, die man damals auf zu hohen Alkoholkonsum zurückführte, obwohl sein Vater nur wenig trank. Hier wird Dr. Kunz aufmerksam und fragt nochmals genauer nach. Andreas weiss aber nur wenig über die Details, da sein Vater sehr ungern Ärzte aufsuchte und sein Leiden daher nie eingehend abgeklärt wurde. Schliesslich wird Andreas von Dr. Kunz von Kopf bis Fuss untersucht. Der Arzt rät danach zu einer Ultraschalluntersuchung der Leber und weiteren Labortests. Mit der anschliessenden, schmerzlosen Ultraschalluntersuchung kann man die Organe des Bauchraumes auf einem Bildschirm darstellen und zum Beispiel erkennen, ob Andreas Gallensteine hat oder ob Veränderungen in der Leber bestehen, die man näher untersuchen muss. Bei Andreas sieht alles so aus, wie es sein soll, und er kann vorerst einmal beruhigt nach Hause gehen. Als Andreas 10 Tage später die Laborwerte mit dem Hepatologen bespricht, erfährt er, dass er zu viel Eisen im Körper hat. Dies kann ein Zeichen für eine erbliche Eisenspeichererkrankung sein. Ein genauer Gentest aus einer Blutprobe bestätigt den Verdacht 2 Wochen später. Dr. Kunz empfiehlt eine Behandlung mit Aderlässen. Diese werden zunächst jede Woche und nach einiger Zeit monatlich durchgeführt, und Andreas' Leberwerte normalisieren sich langsam. Der Hepatologe erzählt Andreas, dass Patienten mit einer derartigen Erkrankung häufig zu Unrecht verdächtigt werden, zu viel Alkohol zu trinken. Allerdings kann Alkoholkonsum im Falle einer Eisenspeichererkrankung den Krankheitsverlauf erheblich verschlechtern. Ist die Erkrankung aber erkannt und werden die Leberwerte durch die Aderlässe normalisiert, ist die Prognose sehr gut, sodass nichts gegen gelegentlichen Alkoholkonsum spricht.

Präzise Diagnose – richtige Therapie

Andreas hatte also Glück. Allerdings auch deshalb, weil er seiner Gesundheit Beachtung schenkte und seine Beschwerden, wenn auch mit mulmigen Gefühl im Bauch, abklären liess, als Fragen auftauchten. Leider sind aber nicht alle Leberkrankheiten so gut zu diagnostizieren und zu behandeln; manche Erkrankungen erfordern zahlreiche Untersuchungen und langwierige Therapien. Aber für die meisten gilt, dass sich Diagnoseverfahren und Behandlungen in den letzten Jahren erheblich verbessert haben, sodass für die Mehrzahl der Patienten eine deutliche Besserung und sogar Heilung möglich ist. Dies gilt vor allem, wenn die Diagnose früh gestellt wird.

Neben Blutuntersuchungen muss bei manchen Patienten eine Leberbiopsie durchgeführt werden, um die Ursache oder den Schweregrad einer Leberschädigung zu ermitteln. Hierbei entnimmt der Arzt mittels einer Nadel der Leber eine Gewebeprobe. Vorher wird der Ort der Punktion mit einem Medikament weitgehend unempfindlich gemacht. Üblicherweise wird eine Leberbiopsie ambulant durchgeführt, da Komplikationen relativ selten sind.

In manchen Fällen bedarf es einer Magen-, Darm- oder Gallengangspiegelung, um Folgen einer Leberschädigung zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln. Neben der Ultraschalluntersuchung sind manchmal auch Röntgenuntersuchungen, wie die Computertomografie, oder eine Kernspinuntersuchung notwendig.

Breite Palette von Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlungsmöglichkeiten der Lebererkrankungen reichen je nach Ursache von Alkoholkarenz über Gewichtsreduktion und vermehrte körperliche Betätigung bis zu medikamentösen Therapien unterschiedlichster Art. Die medikamentöse Behandlung von Lebererkrankungen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft ist ein sich ständig veränderndes, komplexes Gebiet; manchmal treten Nebenwirkungen auf, die rasch erkannt und behandelt werden müssen. Nur so kann eine Therapie erfolgreich durchgeführt werden. Bei einigen Patienten hilft eine Operation, die Ursache der Lebererkrankung zu beseitigen. In solch einem Fall übernimmt ein Chirurg die Weiterbehandlung und stimmt das Vorgehen mit dem Hepatologen ab.

Wie bei vielen Erkrankungen hängen das Entstehen und die Prognose auch bei Leberleiden unter anderem vom Patienten ab. Dieser kann durch Vorbeugung, geeignete Lebensführung und Mitarbeit bei Diagnostik und Therapie entscheidend zu seiner Gesundheit beitragen. Somit sind das vertrauensvolle Patient-Arzt-Verhältnis und die professionelle Zusammenarbeit des betreuenden Ärzteteams die Schlüssel zum Erfolg.

Ärzte 1

Facharzt für: Gastroenterologie (Magen-Darmkrankheiten)
speziell: Hepatologie (Lebererkrankungen) , Allgemeine Innere Medizin