Die Knieprothese – das künstliche Kniegelenk
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Bei einer Arthrose im Kniegelenk, entstanden nach einem Unfall oder durch Gelenkabnützung, versucht der Facharzt zuerst alle konservativen Massnahmen auszuschöpfen. Führen diese nicht (mehr) zum gewünschten Ziel, wird bei einer Arthrose im Anfangsstadium, und vor allem bei jüngeren Patienten, zunächst eine gelenkerhaltende Chirurgie erwogen. Bei fortgeschrittener Arthrose können die Schmerzen, die Beweglichkeit und die Stabilität jedoch nur noch durch ein künstliches Gelenk – eine Knieprothese – beeinflusst werden. Je nach Schwere der Schädigung werden Teil- oder Totalprothesen eingesetzt. Dieser Artikel befasst sich mit der Totalprothese.
Eine Knie-Totalprothese wird nur dann eingesetzt, wenn andere Lösungen nicht mehr in Betracht kommen respektive keine Wirkung mehr zeigen und der persönliche Leidensdruck des Betroffenen ein aktives Vorgehen erfordert. Bevor der Entscheid für eine Operation getroffen wird, müssen die folgenden Fragen beantwortet werden: Ist die Prothese wirklich die richtige und einzige Lösung oder gibt es Alternativen? Ist der Patient bereit für diesen Schritt? Wann ist der günstigste Zeitpunkt?
Bei der Knie-Totalprothese werden die Oberflächen des Ober- und Unterschenkels durch Metallteile ersetzt. Als Gleitschicht dazwischen funktioniert ein Kunststoffteil. Allfällige Achsenfehlstellungen werden mit der Totalprothese ebenso korrigiert wie Streck- oder Beugeausfälle und Instabilitäten der Bänder. Angestrebt wird die Wiederherstellung eines biomechanisch möglichst normalen Kniegelenks mit ersetzten Oberflächen.
Die Schwierigkeit in der Knieprothetik liegt in der Komplexität des natürlichen Kniegelenks. Anders als die Hüfte wird das Knie nicht allein durch die Form der Gelenkoberflächen gehalten und geführt; die fehlende Übereinstimmung zwischen dem flachen Schienbeinkopf und den beiden Oberschenkelrollen wird durch den Knorpel, die beiden Menisken und die Seiten- und Kreuzbänder kompensiert. Dadurch weist das Kniegelenk eine ausgezeichnete Beweglichkeit auf und bleibt trotzdem stabil. Die heutige Knie-Totalprothese schafft diesen Spagat zwischen Stabilität und Beweglichkeit nicht vollständig.
Die Operationszeit beträgt etwa 90 bis 120 Minuten. Für die Knochenschnitte helfen spezielle Instrumente den Unter- und Oberschenkel und allenfalls die Kniescheibe schrittweise so vorzubereiten, sodass die Prothese einen optimalen Sitz erhält. Für die Anpassung der Weichteile (z. B. Bandstrukturen) existieren keine oder nur rudimentäre Instrumente, obwohl gerade die Weichteile den Erfolg der Operation entscheidend beeinflussen. Hier sind die Ausbildung, die Erfahrung und das Geschick des Orthopädischen Chirurgen entscheidend.
Die Schnittlehren – Schablonen, um korrekte Sägeschnitte durchzuführen – können konventionell oder mit Hilfe der Computernavigation ausgerichtet werden. Diese erhöht die Präzision der Operation. Ob das einen Einfluss auf die Resultate und die Lebensdauer der Prothese hat, ist allerdings noch nicht erwiesen.
Seit Kurzem können anhand eines Magnetresonanzbildes (MRI) individuelle Schnittblöcke (Abb. 2) aus Nylon für die Hauptschnitte am Unter- und Oberschenkel hergestellt werden. Dieses System soll die Präzision beim Einbau der Knieprothese weiter erhöhen und erst noch Operationsschritte einsparen.
Der Spitalaufenthalt nach dem Einsetzen einer Knie-Totalprothese richtet sich nach den Schmerzen und der Mobilität des Patienten. In der Regel beträgt er knapp eine Woche. Das Knie soll nach der Operation viel bewegt werden, um die volle Streckung und die Beugung im rechten Winkel rasch wieder zu erreichen. In vielen Fällen darf das Bein nach der Operation sofort voll belastet werden. Stöcke sind während etwa drei bis vier Wochen erforderlich, auf kurzen Strecken gelingt das Gehen jedoch schon bald stockfrei. Eine ambulante Physiotherapie ist in der Anfangsphase hilfreich.
Die Knie-Totalprothese bleibt bislang ein Ersatz des natürlichen Kniegelenks mit gewissen Kompromissen. Etwa 20 % der Patienten sind mit dem Resultat nicht ganz zufrieden. Gründe sind Restbeschwerden, meist im Bereich der Kniescheibe, aber auch funktionelle Defizite im Alltag oder beim Sport. Das Knien ist wegen der Narbe häufig nur noch eingeschränkt möglich.
Knieprothesen nutzen sich deutlich schneller ab als natürliche Kniegelenke. Die Lebensdauer einer Prothese liegt bei etwa 15 Jahren. Danach versagt der Kunststoff Polyäthylen oder es kommt zu einer Lockerung der Komponenten. Wenn die Prothese nicht optimal platziert ist, kann sich eine Kniegelenkssteife oder eine Instabilität entwickeln.
Die Knieprothese der Zukunft wird immer mehr einem natürlichen Kniegelenk entsprechen und dennoch nur eine Kopie der Natur bleiben. Mit neuen Modellen, Materialien und Instrumenten sind weitere Verbesserungen zu erwarten.
Die Aus- und Weiterbildung von Orthopädischen Chirurgen rückt immer mehr in den Vordergrund. Der Orthopäde muss das geeignete Produkt nicht nur korrekt einsetzen, sondern wie bisher den richtigen Patienten für die Operation zum rechten Zeitpunkt selektionieren und in der Nachkontrolle Fehlfunktionen und Versagen der Prothese erkennen und behandeln können.