Eine Harninkontinenz sollte von einem Spezialisten untersucht werden. Dieser Untersuch zeigt auf, um welche der drei Inkontinenz-Formen es sich handelt. Aufgrund dieser Diagnose sowie der Stärke der Symptomatik und des Leidensdrucks wird das weitere Vorgehen besprochen. In den letzten Jahren wurden grosse Fortschritte in der Behandlung erzielt.

"Ich (w, 65) verliere seit ein paar Wochen spontan oder aber bei körperlicher Anstrengung etwas Urin. Können diese Beschwerden von allein vergehen oder sollte ich dies abklären lassen?"

"In jedem Fall sollte eine solche Inkontinenz abgeklärt werden. Als Erstes geht es darum herauszufinden, um welche der drei Inkontinenzformen es sich handelt. Bei der Belastungsinkontinenz kann Harn etwa durch Stress und körperliche Betätigung wie Springen, Tanzen, Geschlechtsverkehr oder auch Niesen und Husten ausfliessen. Bei der Dranginkontinenz muss es nicht zwingend zu Harnverlust kommen. Jedoch müssen Betroffene in diesem Fall mehrmals pro Stunde Wasser lösen, was sie letztendlich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Die dritte Form ist eine Mischform, deren Diagnose nicht ganz einfach ist.

Damit der Arzt ein Bild von den Blasenbeschwerden bekommt, füllen die Patientinnen einen Fragebogen aus. Aufgrund dieses Fragebogens und der Aufnahme der Beschwerden wird das Vorgehen besprochen, das sich nach der Stärke der Symptomatik und des Leidensdrucks richtet. Wenn immer möglich werden konservative Behandlungen wie etwa Beckenbodentraining oder Physiotherapie angewendet. Häufig kann damit schon einiges erreicht werden. Zudem kann es helfen, das Trinkverhalten in der zweiten Tageshälfte bzw. am Abend anzupassen. Nachts einmal auf die Toilette zu müssen, ist normal, mehrmals hingegen nicht.

Wenn das Wasser tagsüber und nachts nicht mehr gehalten werden kann, sollte eine Operation in Betracht gezogen werden. Ein solcher Eingriff dauert rund 15–20 Minuten. Ein kleiner Eingriff mit grosser Wirkung. Über 90 Prozent der Patientinnen sind danach beschwerdefrei. Sie dürfen sich über Ihren Hausarzt, Ihre Hausärztin gerne für eine vertiefte Abklärung an meine Spezialpraxis in Aarau überweisen lassen", sagt Dr. med. Glenn Füchsel, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Tabuthema Harnverlust

Nach wie vor ist spontaner Harnverlust ein Tabuthema. Die meisten Frauen warten zu lange, bevor sie sich einem Gynäkologen, einer Gynäkologin öffnen. Und meist haben sie schon viel Geld für Einlagen und Windeln ausgegeben. Das sei nur Symptombekämpfung, ändere nichts an der Ursache. "Viele Patientinnen melden sich an und sagen: ‹Ich hab’s mit der Blase.› Manchmal sind es Senkungen, oft sind es Entzündungen und immer mehr Frauen kommen wegen unfreiwilligem Urinverlust", sagt Dr. Füchsel. Nach neusten Studien leidet jede zweite Frau über 65 unter Blasenschwäche und ihren lästigen Folgen. Leider werden Probleme mit der Blase meist unter den Teppich gekehrt, tabuisiert. Die richtige Diagnose ist das A und O. Damit der Arzt sie stellen kann, muss er seiner Patientin genau zuhören. Er muss wissen, wie sich ihre Blase in verschiedenen Situationen verhält. "Wenn ich trotz sorgfältiger Befundaufnahme noch nicht sicher bin, ob meine Einschätzung stimmt, ergänze ich die Untersuchung mit einer Blasendruckmessung. So kann ich sehr schnell aufdecken, ob es sich um eine Dranginkontinenz oder eine Belastungsinkontinenz handelt. Oder ob es eine Mischform ist. Das ist wichtig, denn mit einer falschen Diagnose kann man grossen Schaden anrichten. Die Stressinkontinenz sollte man mit einer Schlinge (Sling-Operation) behandeln, die Dranginkontinenz mit den neusten Medikamenten", betont der Gynäkologe. Die Sling-Operation ist ein minimalinvasiver Eingriff, bei dem ein Netz (Sling) unter die Harnröhre gelegt wird, um diese zu unterstützen. "Gerade auf dem Gebiet der Urologie und Gynäkologie wurden in den letzten zwanzig Jahren sensationelle Produkte und neue Operationsverfahren entwickelt. Eingriffe sind schnell und unkompliziert", betont Dr. Füchsel. Harninkontinenz ist für die Betroffenen eine emotionale Belastung, schränkt den Alltag ein, kann zur sozialen Isolation führen und ist ein Kostenpunkt, wenn man Inkontinenzprodukte verwendet. Umso wichtiger ist es, sich von einem Spezialisten kompetent beraten zu lassen.

Dr. med. Glenn Füchsel
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, speziell operative Gynäkologie und Geburtshilfe
Spezialpraxis für Gyn. Onkologie & Uro-Gynäkologie
neu ab 1. Oktober 2024
Schanzweg 7 5000 Aarau