Von depressiven Verstimmungen oder traumatischen Erlebnissen ist etwa ein Drittel der Frauen betroffen. Hält dieser Zustand über Wochen an, sollte das Gespräch mit der Hebamme, dem Gynäkologen oder psychotherapeutischen Fachpersonen gesucht werden. Wenn eine solche Verstimmung unbehandelt bleibt, können die Symptome Monate oder Jahre andauern. (cfr)
Die Geburt meiner Tochter verlief so weit gut, zog sich jedoch über Stunden hin. Die Nächte sind seither anstrengend, ich finde keine Erholung. Und manchmal bin ich traurig, ohne zu wissen, warum.
«Bei einer anstrengenden Geburt kann es einige Wochen dauern, bis man aus der Erschöpfung herauskommt. In dieser Zeit sollte man darauf achten, ob zudem auch Traurigkeitsgefühle auftreten und ob man Glücksgefühle fürs Kind empfinden kann. Wenn der Erschöpfungszustand mehr als drei Wochen anhält, sollte das Gespräch mit der betreuenden Hebamme, spezialisierten Gynäkologen/-innen oder psychotherapeutischen Fachstellen gesucht werden. Von depressiven Verstimmungen oder traumatischer Geburtsverarbeitung ist etwa ein Drittel der Frauen nach Geburten betroffen. Während die Sterblichkeitsrate durch Infekte, hohen Blutverlust, Lungenembolie und Schwangerschaftsvergiftung in den letzten Jahrzehnten massiv gesenkt werden konnte, hat der Suizid im erweiterten Wochenbett heutzutage in westlichen Ländern den höchsten Anteil an der mütterlichen Sterblichkeit. Die psychische Verletzlichkeit, die während einer Geburt entstehen kann, kann zu einem nicht unerheblichen Teil zur Selbstmordgefährdung nach einer Geburt beitragen. Diese Zusammenhänge werden bisher aber zu wenig beachtet. Für Gespräche zur Geburtsverarbeitung stehen verschiedene Facheinrichtungen, unter anderem auch die Praxis Geburt und Familie (Belegarztpraxis an der Hirslanden Klinik Aarau), zur Verfügung», sagt Dr. med. Werner Stadlmayr, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, speziell psychosomatische Medizin.
Mentale und emotionale Vorbereitung
«Generell ist es nicht einfach, sich vorzubereiten, denn ein Erschöpfungszustand wie während der Geburt kommt in derselben Weise ausserhalb der Geburt kaum vor», betont Dr. Stadlmayr. «Schlafmangel kann sehr qualvoll sein, wenn eine Geburt, beispielsweise bei Erstgebärenden, länger als einen Tag dauert.» Die Auswirkung einer Geburt sei jedoch nicht einfach vorherzusagen; so gebe es schwierige Geburten, nach denen sich die Frauen glücklich fühlten, und andere, die eher kurz und bei denen wenige oder keine Interventionen nötig seien, die dann dennoch von den Frauen als sehr negativ erlebt würden. Der Besuch von Geburtsvorbereitungskursen sei hilfreich, versorge er die Teilnehmenden doch mit wichtigen Informationen. «Wichtig bei der Vorbereitung ist auch, dass die werdenden Eltern besprechen, wie sich der Partner während der Geburt einbringen kann, was er sagen oder tun kann, um seine Frau bestmöglich zu unterstützen», betont Dr. Stadlmayr. Zudem kann ein Kurs zur beziehungsfördernden Schwangerschaftsbegleitung (Bindungsanalyse) zur Reduktion von Gebärstörungen beitragen.
Verarbeiten einer Geburt
Allgemein gilt, dass man sich nach einer Geburt Zeit geben sollte. Wenn sich keine Erholung einstellt, wie etwa bei einer postpartalen Depression, ist die Frau erschöpft und traurig, klagt oft über Schuldgefühle und fühlt sich hoffnungslos. Die Dauer einer solchen Depression kann stark variieren: Sie kann Wochen bis Monate andauern. Generell gilt, dass man Hilfe eher früh, also im ersten Monat nach der Geburt, suchen sollte. Eine andere Situation zeigt sich, wenn die Geburt traumatisch empfunden wurde. Dies kann sich dahin gehend äussern, dass man dauernd an die Geburt denkt, das Gefühl, «schlecht betreut worden zu sein», nicht aus dem Kopf bekommt oder umgekehrt das Gefühl hat, «dass alles gar nicht wahr ist, wie wenn die Geburt gar nicht passiert wäre». Nicht selten kommt auch das Erleben auf, «keine Bindung zum Neugeborenen empfinden zu können». In solchen Fällen sollte das Gespräch mit den Menschen gesucht werden, die bei der Geburt zugegen waren, aber auch therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Spez.: Psychosomatische Medizin