Ob ein Kreuzbandriss operiert werden muss oder nicht, hängt von diversen Faktoren ab. Bei jungen Patienten wird meist operiert, bei über 60‑Jährigen wird eher konservativ behandelt. Kreuzbandrisse kann man vorbeugen, indem man gut trainiert und aufgewärmt seinem Sport frönt. Allerdings können auch erblich bedingte Faktoren einen Riss begünstigen. (cfr)

"Ich (35, w) habe beim Skifahren das Kreuzband am rechten Knie angerissen. Sollte man eine solche Verletzung zwingend operieren oder gibt es Alternativen?"

«Nicht jeder Kreuzbandriss muss zwingend operiert werden. Es gibt Kriterien, die dafürsprechen, und solche, bei denen eine konservative Methode angezeigt ist. Es gilt im Wesentlichen fünf individuelle Punkte zu berücksichtigen. Punkt 1 ist das Alter. Je jünger Personen sind, desto eher wird operiert. Hingegen wird bei Menschen ab 60 Jahren eher von einem Eingriff abgesehen. Als Zweites wird der Verletzungsgrad analysiert. Es ist entscheidend, ob nur das Kreuzband isoliert beeinträchtigt ist oder auch der Meniskus, die Seitenbänder oder der Knorpel. Dem Beruf kommt als dritter Punkt eine wichtige Rolle zu. Etwa für Bauarbeiter oder Dachdecker, die auf unebenem, rutschigem Gelände arbeiten, ist ein sicherer Stand zwingend. Etwas anders sieht es bei Berufen aus, die eher sitzend ausgeführt werden. Dort kann man zuwarten, ob konservative Therapien ausreichend Erfolg bringen. Als vierter Punkt wird berücksichtigt, ob die Person kniebelastende Sportarten ausübt. Bei Sportarten wie Tennis, Squash oder Fussball wird eher früh stabilisiert. Ich weiss jedoch von einem Veloprofi, der zuoberst aufs Podest fuhr – ohne Kreuzband. Ihm kam zugute, dass seine Beinmuskulatur hervorragend und somit die Kniemuskulatur gut stabilisiert war. Entscheidend ist zum Schluss noch, was die Patienten spüren. Ich würde Sie also beispielsweise fragen: ‹Fühlt sich Geradeausgehen gut an? Knicken Sie bei gewissen Bewegungen leicht ein?› Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Fragenkatalog wird mit den Patienten entschieden, ob konservative Therapien zum Zug kommen oder ob eine Operation angezeigt ist. Sie dürfen sich für eine vertiefte Abklärung gerne in unserer Sprechstunde anmelden», sagt Dr. med. Marcus Ganeo, Facharzt für Chirurgie am Zentrum für Unfall- und Sportchirurgie in der Hirslanden Klinik Aarau.

Behandlungsmöglichkeiten

«Es gibt Kreuzbänder, die von selbst wieder teilvernarben», betont Dr. Ganeo. Hierbei liefert der «Schubladentest» dem Arzt entsprechende Hinweise. Kann der Unterschenkel beim Ziehen jedoch «weit» nach vorne bewegt werden, ist das ein Zeichen für eine Instabilität, die operativ behandelt werden kann. Ein Kreuzbandriss kann genäht oder mit einem Sehnentransplantat ersetzt werden. Dabei kommen eigene Sehnen zum Einsatz, etwa von oberhalb/unterhalb der Kniescheibe oder vom Oberschenkel. Ein Ersatz aus künstlichen Materialien hat sich nicht bewährt. Allerdings gibt es einen kleinen Nachteil, da für diese Operation eine andere Sehne geschwächt werden muss, um das Transplantat zu gewinnen. Bei Patienten, die arbeitsbedingt häufig knien müssen, wird ein Implantat aus einer Spendersehne empfohlen. «Die Spendersehne wird vom Körper nicht abgestossen und man muss sich auch keine Sorgen machen, dass dadurch eine Krankheitsübertragung stattfinden könnte», sagt Dr. Ganeo. Bereits am ersten Tag nach der Operation beginnt die Physiotherapie mit Bewegen, später auch mit Aufstehen und Übungen. Leichtes Joggen dürfte nach vier Monaten möglich sein, das Skifahren muss 9 bis 12 Monate ausgesetzt werden. Der Heilungsverlauf ist nebst einer erfolgreichen OP auch von der Nachbehandlung mit Physiotherapie und vom Mitmachen und der Motivation des Patienten abhängig.

Kann man vorbeugen?

Man kann. Man sollte sich vor einem Skiurlaub seriös auf das Skifahren vorbereiten. Es reicht nicht, kurz vorher mit Übungen zu beginnen, man sollte den Muskelapparat das ganze Jahr über trainieren. Zudem ist das Aufwärmen zwingend. Das gilt für alle Sportarten. «Beim Fussball kommt noch hinzu, dass man nicht zu ‹gäch› loslegen sollte, um sich und andere Spieler nicht zu gefährden», betont der Spezialist. Zudem gibt es erblich bedingte Risiken, die einen Kreuzbandriss begünstigen – etwa X‑Beine oder ein Senkfuss. Bei Letzterem können Schuheinlagen das Risiko minimieren. 

Dr. med. Marcus Ganeo
Facharzt Chirurgie, Traumatologie, Schwerpunkt
Sportmedizin
Zentrum für Unfall- und Sportchirurgie
Hirslanden Klinik Aarau
Schänisweg 5000 Aarau