Gewöhnliche Rückenschmerzen, die durch Überbelastung, Fehlhaltung oder durch Bewegungsmangel entstehen, sollten innerhalb von sechs bis acht Wochen verschwinden. Wenn nicht, muss die Ursache abgeklärt werden. Meist helfen konservative oder alternative Therapiemethoden. Ist eine Operation nötig, wird ein minimalinvasives Therapiekonzept bevorzugt. (cfr)

"Ich (w, 55) habe seit Wochen Rückenschmerzen, die einfach nicht nachlassen. Soll ich mich weiterhin bestmöglich schonen oder drängt sich ein Arztbesuch auf?"

«Gewöhnliche Rückenschmerzen verbessern sich innerhalb von sechs bis acht Wochen von selbst oder verschwinden gänzlich. Falls nicht, ist eine vertiefte Abklärung sinnvoll. Allerdings ist übermässige Schonung, so wie Sie es halten, nicht die Lösung. Eine massvolle Aktivierung ist empfohlen. Extremes Schonen begünstigt chronische Schmerzen. Das Tragen von schweren Lasten oder andere starke Anstrengungen sollten in der ersten Phase vermieden werden. In Ihrem Fall bestehen die Schmerzen seit längerem, weshalb eine Abklärung in Ihrer Hausarztpraxis angezeigt wäre. Sie dürfen sich auch gerne an unsere Spezialisten des Neurozentrums in der Hirslanden Klinik Aarau wenden», sagt Dr. med. Nicolas Koechlin, Facharzt für Neurochirurgie, spezialisiert auf Wirbelsäulenchirurgie und interventionelle Schmerztherapie.

Mythen und Fakten

Die Meinung, dass «sich schonen und Bewegung vermeiden» die richtige Behandlung bei Rückenschmerzen ist, ist weit verbreitet. «Ein weiterer Mythos, der sich hartnäckig hält: Es muss unbedingt und zügig ein MRI (Bildgebung) gemacht werden. Ein MRI macht vieles sichtbar, jedoch ist nicht jede Verschleisserscheinung eine Krankheit, die behandelt werden muss», betont der Neurochirurg. «Auch die Annahme, dass ein Bandscheibenvorfall operiert werden muss, entspricht nicht der Realität. In acht von zehn Fällen bildet er sich von selbst zurück. Hier ist Geduld und Vertrauen in die Heilungskräfte des Körpers entscheidend.» Eine operative Behandlung ist dringend notwendig, wenn Symptome wie etwa eine plötzliche Störung der Blasen- oder Darmkontrolle oder starke Lähmungserscheinungen der Arm- oder Beinmuskeln auftreten. Ebenso sollte bei Wirbelbrüchen, einem häufigen Problem bei fortgeschrittener Osteoporose, meist zügig behandelt werden. Auch bei der Spinalkanalstenose, wo eine Einklemmung der Nerven im Wirbelkanal zu Schmerzen und Bewegungsbehinderungen führen kann, ist die OP vielfach alternativlos. «Hier macht eine chirurgische Therapie Sinn und ist auf lange Sicht der nichtoperativen Therapie überlegen. Nach wie vor hält sich das Gerücht, dass eine Rückenoperation gefährlich sei und man mit grosser Wahrscheinlichkeit im Rollstuhl lande», sagt Dr. Koechlin. «Seit 20 Jahren führe ich Hirn- und Rückenoperationen durch. Das waren unzählige Eingriffe – allesamt ohne diese so gefürchtete Komplikation.» Eine ehrliche Diskussion über die Chancen und Risiken einer geplanten Operation sei jedoch unabdingbar. Wesentlicher Faktor für die mittlerweile sehr tiefen Komplikationsraten ist, dass sich die Operations- und Narkosetechniken verfeinert haben. Inzwischen sind minimalinvasive Eingriffe an der Tagesordnung. Allerdings ist bei Rückenoperationen die Erwartungshaltung oft zu gross. Anders als beim Knie oder der Hüfte können bei der Wirbelsäule die wesentlichen Teile nicht ersetzt werden. 

Alternativen Therapien

Für Linderung sorgen etwa Physiotherapie, chiropraktische Behandlungen, Akupunktur oder medizinische Massagen. Auch entzündungshemmende Schmerzmittel können helfen, müssen jedoch in Absprache mit einem Arzt oder Apotheker verwendet werden. Zusätzlich lindern Infiltrationen, bei denen Schmerzmittel und Cortison verabreicht werden, die Schmerzen. Ein gesunder Lebensstil spielt eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung und Behandlung von Rückenleiden. Das korrekte Heben schwerer Gegenstände, regelmässige Bewegung, der Verzicht auf Rauchen sowie die Vermeidung von Übergewicht können das Risiko von Rückenschmerzen verringern. Um Osteoporose vorzubeugen, ist eine Vitamin­D- und kalziumreiche Ernährung wichtig. Übungen wie Pilates stärken die Rückenmuskulatur und stabilisieren somit die Wirbelsäule.

Dr. med. Nicolas Koechlin
Facharzt für Neurochirurgie, spezialisiert auf Wirbelsäulenchirurgie und interventionelle Schmerztherapie