Rückenschmerzen: Wenn Medikamente und Physiotherapie keine Wirkung mehr zeigen
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Degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule manifestieren sich oft in komplexen kombinierten Erkrankungen mit starker Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die daraus resultierenden Schmerzen. Ein häufiges Beispiel ist die Kombination von altersbedingter Wirbelsäulenverkrümmung mit Einengung des Wirbelkanals. Die Behandlung durch ein erfahrenes interdisziplinäres Team, dem eine modernste Infrastruktur zur Verfügung steht, ist in solchen Fällen für den schmerzgeplagten Patienten das Optimale.
Wie so viele andere Menschen, jung oder alt, sportlich oder ohne Bewegungsdrang, leidet auch Frau Ammann seit Jahren an immer wiederkehrenden Rückenschmerzen. Diese sind in den letzten Monaten allerdings derart häufig und heftig geworden, dass sie die Patientin in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigen. Am meisten stört die 68-jährige Frau Ammann, dass sie sowohl beim Stehen als auch beim Gehen eingeschränkt ist und ihre ausgedehnten Spaziergänge mit dem Hund nicht mehr wie früher durchführen kann. Gut gemeinte Tipps von Nachbarn und Bekannten sowie eigene «hausmedizinische Methoden» haben die Situation nicht verbessern können. Die vom Hausarzt verordneten stärkeren Medikamente und die Physiotherapie haben fürs Erste geholfen, doch die Beschwerden sind nun nochmals etwas stärker geworden, weshalb es einer umfassenden Diagnose und Abklärung bedarf.
Frau Ammann wird ans Wirbelsäulenzentrum an der Klinik Hirslanden überwiesen, wo mittels eines Magnetresonanztomographen (MR), von welchem die Nervenstrukturen detailliert abgebildet werden, die exakte Diagnose gestellt wird. Dadurch wird der Verdacht bestätigt, dass es sich hier um eine komplexe Kombination aus altersbedingter Wirbelsäulenverkrümmung durch Abnützung und Verschiebung von mehreren Wirbeln (degenerative Skoliose) mit schwerer Einengung des Wirbelkanals (Spinalstenose) handelt. Die Symptome sind damit erklärt. Zum einen hat die Patientin starke Rückenschmerzen durch die Abnützungen und die Verkrümmung, zum anderen leidet Frau Ammann an ausstrahlenden Schmerzen in die Beine mit Schwächegefühl beim Gehen, bedingt durch die Kompression der Nerven infolge Einengung des Kanals.
Bei den Therapien sollte immer stufenweise vorgegangen werden, weshalb beschlossen wird, bei Frau Ammann in einem ersten Schritt durch den Schmerztherapeuten im Team eine Infiltration des Wirbelkanals durchzuführen. Hierbei wird unter Röntgenkontrolle die eingeengte Stelle exakt mit schmerzlindernden und abschwellenden Mitteln umspritzt (Abb. 1). Frau Ammann hilft diese Infiltration für ein paar Wochen gut, leider kehren aber die Beschwerden wieder in alter Stärke zurück, was bei dieser Situation eben oft der Fall ist.
In der Nachkontrolle im Wirbelsäulenzentrum wird durch das interdisziplinäre Team aus Schmerztherapeuten, Wirbelsäulen-Neurochirurgen, orthopädischen Wirbelsäulenchirurgen und Rheumatologen deshalb gemeinsam beschlossen, dass Frau Ammann letztlich doch nur die Operation helfen kann. Aufgrund der komplexen, kombinierten Wirbelsäulen-Problematik muss eine grosse Operation mit Stabilisation mehrerer Wirbel und Wiedereröffnung des Kanals über eine längere Strecke durchgeführt werden.
Bei den weitaus häufigsten Wirbelsäulen-Eingriffen ist eine aufwendige intraoperative Überwachung nicht nötig. Bei Frau Ammann hingegen wird während der Operation durch Messung der Nervenströme permanent die Nervenfunktion überwacht (intraoperatives Neuromonitoring). Die in diesem Fall infolge der starken Wirbelsäulen-Deformation heikle Platzierung der Schrauben kann durch Verwendung des intraoperativen Computertomographen in dreidimensionaler Ansicht kontrolliert werden.
Nach fünf Stunden Operationszeit kann das Operationsteam erleichtert aufatmen. Die dreidimensionalen Bilder zeigen eine sehr schöne Schraubenlage und das intraoperative Monitoring bestätigt die intakte Nervenfunktion auch am Schluss der Operation. Es zeigt sich, dass die Wirbelsäulenverkrümmung von Frau Ammann deutlich korrigiert werden konnte und dank der Fixation nun künftig nicht mehr zunehmen wird. Des Weiteren konnten durch die Erweiterung des Wirbelkanals die Einklemmung der Nerven und damit die in die Beine ausstrahlenden Schmerzen beseitigt werden.
Im Anschluss an die Operation erfolgt die zirka halbjährige Aufbauphase mit Physiotherapie, regelmässigen Nachkontrollen im Wirbelsäulenzentrum und Anpassung der Schmerzmedikamente durch den Hausarzt.
Heute, sechs Monate nach der Operation, hat die Patientin überhaupt keine in die Beine ausstrahlenden Schmerzen mehr und kann mit ihrem Hund bereits wieder Spaziergänge von über einer Stunde unternehmen. Die noch vorhandenen Restschmerzen an der Wirbelsäule selber können mit etwas Medikamenten und Übungen gut kontrolliert werden und dürften in den nächsten Monaten auch noch weiter zurückgehen.