Patientenzeitschrift "Mittelpunkt"

Rund 25 Prozent aller Schlaganfälle werden durch ein Blutgerinnsel hervorgerufen, das vom Herzen ins Gehirn gelangt. Studien zeigen, dass das Herz bei vielen Schlaganfällen eine Rolle spielt bei denen sich zunächst keine eindeutige Ursache ausmachen lässt. Im Vordergrund stehen dabei ein unentdecktes Vorhofflimmern und das offene Foramen ovale, eine kleine Verbindung zwischen dem rechten und linken Herzvorhof, die sich normalerweise nach der Geburt schliesst.

Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Unterbrechung der Sauerstoffversorgung in einem Teil des Gehirns. Ist der Grund für den Sauerstoffmangel eine Minderdurchblutung, so spricht man von einem ischämischen Schlaganfall. Seltener bewirkt eine Blutung im Gehirn einen Schlaganfall. Es gibt drei Hauptursachen für den ischämischen Schlaganfall: 1. Meistens handelt es sich entweder um ein Gerinnsel (Thrombus), das von einer stark eingeengten Halsschlagader ins Gehirn gelangt, oder aber um ein Gerinnsel, das vom Herzen in eine Hirnarterie gespült wird. Im letzteren Fall spricht man von einem kardioembolischen Ereignis. 2. Weniger häufig ist, dass kleine Blutgefässe im Hirn selbst sich aufgrund arteriosklerotischer Veränderungen lokal verschliessen. 3. Selten tritt eine verminderte Hirndurchblutung durch einen Blutdruckabfall bei einer Reanimation oder einer schweren Herzrhythmusstörung auf.

Vorhofflimmern

Eine typische Ursache für einen kardioembolischen Schlaganfall ist das Vorhofflimmern. Es ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen. In der Schweiz sind etwa 100 000 Personen betroffen; wichtige Risikofaktoren sind Alter, hoher Blutdruck, Schilddrüsenüberfunktion, extremes Ausdauertraining, übermässige Alkoholeinnahme oder ein obstruktives Schlafapnoesyndrom.

Beim Vorhofflimmern kann es zu einem Gerinnsel im linken Vorhof, insbesondere im Vorhofsohr, kommen. Von dort kann das Gerinnsel durch die linke Herzkammer in die Aorta (Hauptschlagader) fortgespült werden und dann in den Kopf gelangen, wo es einen Schlaganfall verursachen kann. Es kann auch in eine Arterie im Bein oder Bauch wandern. Das Vorhofflimmern ruft mitunter Herzrasen oder Herzklopfen, Atemnot oder einen Leistungseinbruch hervor. Viele Betroffene aber spüren nichts vom Vorhofflimmern. Aus diesem Grund wird es nicht selten erst nach einem Schlaganfall diagnostiziert. Ein Vorhofflimmern zu diagnostizieren, ist allerdings oft schwierig.

Therapie des Vorhofflimmerns

Die beim Vorhofflimmern gefährliche Gerinnselbildung im Vorhofsohr kann man durch blutverdünnende Medikamente wie Eliquis, Xarelto, Lixiana, Pradaxa oder Marcoumar verhindern; Aspirin nützt leider nichts. Diese Medikamente müssen lebenslang eingenommen werden. Das Hirnschlagrisiko bei einem unbehandelten Vorhofflimmern, d.h. ohne Blutverdünnung, ist um bis das Fünf- bis Achtfache erhöht.

Bei Patienten, die die Blutverdünnung nicht vertragen oder darunter schwere Blutungen erleiden, kann das Vorhofsohr mit einem «Schirm» verschlossen werden. Dieser Eingriff wird unter Narkose durchgeführt, mittels eines über die Leiste eingeführten Katheters (vgl. Abb 1).  Das Risiko dieses Eingriffs ist nicht grösser als eine Blutverdünnung während einiger Jahre; es wird sich zeigen, ob ein Vorhofsohrverschluss im Langzeitverlauf der jahrelangen Blutverdünnung überlegen ist.

Abb 1
a) Gerinnsel aus dem linken Vorhofsohr gelangen via linke Herzkammer in den Systemkreislauf (weisser Pfeil) und können so u.a. einen Schlaganfall verursachen.

b) Über einen Katheter von der Leiste her kann das linke Vorhofsohr mit einem «Schirm» verschlossen werden.

Offenes Foramen ovale

Eine weitere Ursache eines unklaren ischämischen Schlaganfalls ist eine sogenannte paradoxe Embolie. Dabei wird ein Gerinnsel durch ein Löchlein zwischen den beiden Vorhöfen von rechts nach links in die Arterien gespült. So kann es beispielsweise aufgrund einer Gerinnselbildung in den Beinvenen (Beinvenenthrombose) zu einem Schlaganfall kommen. Dieses kleine Loch im Herzen ist meist ein offenes Foramen ovale. Ein eigentlicher Vorhofseptumdefekt ist seltener.

Wieso ist ein offenes Foramen ovale (PFO) so häufig und liegt bei 25 Prozent aller Leute vor? In der Fötalzeit besteht eine lebenswichtige Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof. Diese garantiert im Mutterleib, dass das sauerstoffreiche Blut der Mutter in den Kreislauf des Kindes gelangt. Mit der Geburt und dem ersten Atemzug des Kindes führen die veränderten Druckverhältnisse zum Verschluss des PFO. Wenn dieser Verschluss unvollständig ist, kann eine winzige Öffnung bestehen bleiben. Ein Blutgerinnsel aus dem venösen Kreislauf kann also unter Umständen durch das PFO gelangen und eine Hirnarterie verschliessen, wodurch ein Schlaganfall ausgelöst wird. In seltenen Fällen kann das Gerinnsel auch ein Herzkranzgefäss verstopfen, was zu einem Herzinfarkt führt.

Die meisten Menschen mit einem offenen Foramen ovale erleiden keinen Schlaganfall. Lassen sich nach einem Schlaganfall jedoch keine weiteren Ursachen finden, kann ein vorliegendes PFO zur Vorbeugung eines erneuten Schlaganfalls verschlossen werden.

Therapie des offenen Foramen ovale

2017 wurden Studien publiziert, wonach bei gewissen Patienten der Verschluss des PFO durch einen Kathetereingriff einer medikamentösen Behandlung überlegen ist. Das heisst: Der Schirmchen-Verschluss eines offenen Foramen ovale schützt Patienten nach einem unklaren Schlaganfall besser vor einem erneuten Schlaganfall als eine medikamentöse Therapie – vor allem wenn sie unter 60 Jahre alt sind, der Shunt (Blutdurchtritt zwischen den Vorhöfen) relativ gross ist und gleichzeitig ein Vorhofseptum-Aneurysma vorliegt (eine vermehrt bewegliche Wand zwischen den Vorhöfen). Drei neuere Studien zeigten unabhängig voneinander, dass ein PFO-Verschluss bei solchen Patienten zur Schlaganfallprophylaxe von Vorteil ist.

Das PFO lässt sich meist ohne Narkose mit einem Schirm verschliessen. Dabei wird ein Katheter über die Leistenvene in den rechten Vorhof eingeführt und durch das PFO in den linken Vorhof vorgeschoben. Durch diese Schleuse lässt sich ein spezieller Doppelschirm, bestehend aus einem Nickel-Titan-Geflecht, im PFO platzieren (vgl. Abb. 2). Die Komplikationsrate für diesen Eingriff ist tief. Der Schirm wird innerhalb weniger Monate vom eigenen Gewebe überwachsen.

Abb 2.
a) Ein Gerinnsel kann aus dem venösen System durch das offene Foramen ovale in die linke Vorkammer und somit in den Systemkreislauf gelangen. In der Folge kann es eine Hirnarterie verlegen und damit einen Schlaganfall auslösen.

b) Mit einem Schirm, der über die Leiste mit einem Katheter eingeführt wird, kann das «Löchlein» zwischen den beiden Vorkammern dicht gemacht werden.

Fazit

Zusammenfassend gibt es zwei Hauptursachen für einen unklaren ischämischen Schlaganfall, die mit dem Herzen im Zusammenhang stehen: das Vorhofflimmern mit Gerinnselbildung im linksseitigen Vorhofsohr und ein offenes Foramen ovale, durch das ein Gerinnsel vom systemischen Kreislauf in die linken Herzhöhlen gelangen kann. Im Falle des Vorhofflimmerns muss alternativ zur Blutverdünnung ein Vorhofsohrverschluss evaluiert werden. Das PFO kann mittels Kathetereingriff ebenfalls erfolgreich behandelt werden.

Ärzte 4

Facharzt für: Kardiologie , Allgemeine Innere Medizin
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Glossar

  • Embolie: Verschluss eines Gefässes durch einen über die Blutbahn eingeschwemmten Pfropf, meist ein Blutgerinnsel
  • Herzkammer: Aus den beiden Herzkammern wird das Blut über eine Arterie in den Blutkreislauf gepumpt (aus der rechten Kammer in den Lungen-, aus der linken in den Körperkreislauf).
  • Vorhof: In den beiden Vorhöfen kommt das Blut aus den Kreisläufen zurück (aus dem Lungenkreislauf in den linken Vorhof, aus dem Körperkreislauf in den rechten). Getrennt werden die Vorhöfe durch eine dünne Wand, das Vorhofseptum.
  • Vorhofsohr: Ausstülpung an den Vorderhöfen