Knorpelschäden im Knie: Regeneration statt Gelenkersatz
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Aufgrund seiner langjährigen Forschungstätigkeit und klinischen Erfahrung gehört Dr. Matthias Steinwachs zu den führenden Spezialisten für regenerative Knorpeltherapien. Bei diesen Therapien werden Knorpelschäden am Knie mit körpereigenen Zellen repariert, sodass sich eine Implantation von Prothesen erübrigt oder zumindest hinauszögern lässt.
Was versteht man unter knorpelregenerativen Therapien, und welches Ziel verfolgen sie?
Als Knorpelregeneration bezeichnet man den Wiederaufbau einer glatten und belastungsfähigen Knorpelschicht, damit der Knorpel nach einer Beschädigung seine Aufgabe wieder erfüllen kann: die Reibung bei der Kniebewegung zu minimieren und die mechanischen Kräfte zu puffern. Knorpelregenerative Techniken haben das Ziel, isolierte Knorpelschäden, die das Gelenk noch nicht komplett zerstört haben, so früh als möglich zu reparieren. Damit soll erreicht werden, dass eine Arthrose (Abbau des Knorpels) erst gar nicht entstehen kann oder sich deren Entwicklung zumindest deutlich verlangsamt. Ist eine Arthrose nämlich schon weit fortgeschritten, ist es für eine regenerative Knorpeltherapie zu spät.
Was sind die Ursachen von Knorpelschäden?
Zu einer Schädigung des Knorpels kommt es häufig bei grossen Verletzungen wie Kniescheibenverrenkungen oder Kreuzbandrissen. Eine andere Ursache sind viele kleinste Knorpelverletzungen an derselben Stelle, die sich mit der Zeit zu einem grösseren Schaden summieren. Meistens sind solche Mikroverletzungen die Folge von hohen mechanischen Belastungen und Drehbewegungen des Knies, wie sie bei Sportarten wie Fussball, Eishockey, Tennis oder Skifahren vorkommen. Zu einer knorpelschädigenden Mehrbelastung können ferner auch Übergewicht oder eine ungerade Beinachse führen.
Warum regenerieren sich Knorpelschäden nicht von selbst?
Knorpel sind nicht durchblutet, weshalb der Stoffwechsel in ihnen sehr langsam abläuft. Dieser reicht nur gerade aus, um den alltäglichen Knorpelverschleiss zu reparieren. Bei grösseren Schäden kommt der Reparaturmechanismus nicht mehr nach. Ist das Gleichgewicht zwischen der Beseitigung abgenutzter Gewebeteile und deren Neuaufbau einmal gestört, schreitet der Abbau unaufhaltsam voran. Weil der Knorpel keine Nerven enthält, spüren die Betroffenen davon lange nichts.
Abb. 1
Mikrofrakturierung bzw. knochenmarkstimulierende Therapie: In einem minimalinvasiven Eingriff werden kleine Löcher in den Knorpelschaden hineingebohrt, um eine Verbindung zum Knochenmark herzustellen. Aus diesem fliessen Stammzellen in den Knorpeldefekt hinein, wo sie eine neue Knorpelschicht aufbauen, indem sie zu Knorpelzellen werden.
Wie lässt sich einem Knorpelschaden vorbeugen?
Das Wichtigste ist Bewegung. Ideal sind Sportarten wie Radfahren, Schwimmen und durchaus auch Joggen, weil dabei das Knie nicht verdreht und die Belastung des Gelenks gering ist. Ein sauberes Training führt bei solchen Sportarten zu einem festeren und damit weniger verletzungsanfälligen Knorpel.
Wie läuft eine knorpelregenerative Therapie ab?
Für jede Art von Gewebeerneuerung benötigt man Zellen, die das Gewebe, hier also die Knorpelschicht, an der beschädigten Stelle wieder aufbauen. Dazu setzen wir im Moment vor allem zwei Therapieverfahren ein. Beim ersten bedienen wir uns der Stammzellen aus dem Knochenmark. Stammzellen sind Zellen, die das Potenzial haben, viele verschiedene Gewebe aufzubauen. Sie sind Teil des natürlichen Reparaturmechanismus des Körpers. Wir machen uns hier also etwas zunutze, was der Körper an sich von selbst vollbringt – aber eben nicht an dieser Körperstelle. Zu diesem Zweck bohren wir in den Knorpelschaden kleine Löcher hinein und stellen so eine Verbindung zwischen dem Gelenkinnenraum und dem Knochenmark her. Durch diese Löcher fliessen die Stammzellen aus dem Knochenmark in den Knorpeldefekt hinein. Dort bauen sie eine neue Knorpelschicht auf, indem sie zu Knorpelzellen werden. Im Fachjargon nennt man solche Therapien knochenmarkstimulierende Techniken. Ein anderer Ausdruck lautet Mikrofrakturierung, weil man mit den Bohrlöchern kleine, künstliche Knochenbrüche (Frakturen) bewirkt (vgl. Abb. 1).
Und worin besteht das zweite Therapieverfahren?
Beim zweiten Verfahren werden die neuen Knorpelzellen ausserhalb des Körpers gezüchtet. Dazu entnimmt man dem Patienten ein Stück des noch gesunden Knorpels, löst die Zellen heraus und vermehrt sie im Labor. Die so gezüchteten Zellen werden anschliessend an die defekte Knorpelstelle zurückgebracht, wo sie damit beginnen, neues Knorpelgewebe aufzubauen. Weil die Knorpelzellen ausserhalb des Körpers gezüchtet sind, bezeichnet man diese Technik als Knorpeltransplantation (vgl. Abb. 2).
Wie entscheidet sich, welche der beiden Therapien zum Einsatz kommt?
Die Knorpeltransplantation eignet sich vor allem für grosse Knorpelschäden. Eingesetzt wird sie häufig bei jüngeren Patienten nach einer schweren Knieverletzung, aber mit ansonsten intakten Gelenken. Knochenmarkstimulierende Verfahren gelangen dagegen eher bei kleinen Schäden zur Anwendung. Meistens können sie minimal-invasiv durchgeführt werden, das heisst, die chirurgischen Instrumente gelangen durch kleinste Hautschnitte zum Gelenk. Die Knorpeltransplantation findet demgegenüber am offenen Knie statt, was für den Patienten etwas belastender ist.
Wovon hängt der Erfolg einer Therapie ab?
Ausschlaggebend für den Erfolg ist, dass das Knie abgesehen vom Knorpelschaden intakt ist. Ist das nicht der Fall, müssen Begleitverletzungen etwa der Kreuzbänder oder der Kniescheibe, aber auch ungünstige Veranlagungen wie eine Fehlstellung der Beinachse vor einer Knorpeltherapie behandelt werden. Denn das sind alles Faktoren, die einen negativen Einfluss auf die geschädigte Knorpelstelle haben. Mit anderen Worten: Man muss einen Knorpeldefekt immer ganzheitlich angehen. Das ist die wichtigste Voraussetzung aller Knorpeltherapien. Dazu braucht es ein tiefes Verständnis der Funktionsweise des Knies, die auf einem komplexen Zusammenspiel von biomechanischen Prinzipien und biologischen Prozessen beruht.
Wie lange ist die Mobilität nach einer Operation eingeschränkt?
Die Rehabilitation gestaltet sich nach beiden Eingriffen ähnlich. In den ersten sechs Wochen nach der Operation dürfen die Patienten das Knie nur teilbelasten und müssen an Krücken gehen. Ausserdem erhalten sie eine elektrische Bewegungsschiene, die das Knie beugt und streckt. Nach sechs Wochen können sie wieder normal laufen und damit beginnen, die verlorene Muskelmasse wiederaufzubauen.