Minimalinvasive Chirurgie des Speiseröhrenkrebses
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Während vieler Jahrzehnte erfolgte die Speiseröhrenentfernung bei einem Speiseröhrenkrebs in offenen Operationsverfahren. Die Sterblichkeit konnte zwar kontinuierlich gesenkt werden, doch die Komplikationsraten blieben hoch. Das ändert sich offensichtlich mit der Einführung der Minimalinvasiven Chirurgie.
Vor etwas mehr als 100 Jahren hat der in die USA ausgewanderte Deutsche Franz Torek im German Hospital in New York (heute Lenox Hill Hospital) die erste Speiseröhrenentfernung (Ösophagektomie) bei einem Speiseröhrenkrebs (Ösophaguscarcinom) über die Brusthöhle durchgeführt. Dieser schwierige Eingriff war am Anfang gekennzeichnet durch Sterberaten von über 90 Prozent während oder nach der Operation. Heute liegen sie in den Händen von ausgewiesenen Experten an Zentren mit hoher Fallzahl bei unter 4 Prozent. Doch trotz aller Fortschritte weist die Ösophaguschirurgie weiterhin eine hohe Komplikationsrate auf – mit entsprechend langer Behandlungsdauer und langem Intensivaufenthalt. Zu den Folgen zählen eine reduzierte Lebensqualität und Leistungsfähigkeit, die fehlende Wiedereingliederung in das Arbeitsleben und hohe Kosten.
Die Hauptursachen für einen komplikativen oder tödlichen Verlauf nach einer Ösophagektomie sind eine Undichtigkeit (Leckage) an der neu geschaffenen Verbindung zwischen Restspeiseröhre und Magen (Anastomose) und insbesondere das Auftreten von Lungenkomplikationen (Lungenentzündung). Begünstigt werden diese durch das grosse Operationstrauma bei der offenen Operation mit Bauchschnitt und Brusthöhleneröffnung.
Wie bei vielen anderen Operationen hat die minimal-invasive Chirurgie auch bei der Speiseröhrenentfernung Einzug gehalten. Vor allem in den letzten zehn Jahren hat die konsequente Entwicklung und Umsetzung der minimalinvasiven Ösophagektomie eine hohe Dynamik angenommen. Dabei werden die gleichen Kriterien und Resektionsverfahren wie in der offenen Chirurgie angewandt. Das Ziel ist die komplette Tumorentfernung. Neben der Entfernung der Speiseröhre ist auch eine radikale Lymphknotenentfernung im Bauch- und Brustraum, seltener auch am Hals notwendig.
Der minimalinvasive Eingriff kann mit oder ohne Eröffnung der Brusthöhle durchgeführt werden. Der Anschluss des als Ersatzorgan schlauchförmig umgewandelten Magens erfolgt je nach Lage des Tumors entweder im Brustraum (intrathorakale Anastomose – Ivor-Lewis-Ösophagektomie) oder am Hals (cervikale Anastomose – McKeown-Ösophagektomie). Zusätzlich gibt es noch Hybridverfahren, bei denen der eine Teil laparoskopisch oder thorakoskopisch und der andere offen durchgeführt wird. Aufgrund der verbesserten Radikalität und Prognose sowie der Vorteile der intrathorakalen gegenüber der cervikalen Anastomose führe ich wann immer möglich die minimalinvasive Ivor-Lewis-Ösophagektomie durch.
Der Eingriff beginnt in Rückenlage des Patienten mit der Laparoskopie mit fünf Trokaren (vgl. Abb. 1). Zunächst wird mit speziellen Instrumenten die untere Speiseröhre mit den umgebenden Lymphknoten freipräpariert. Dann wird der Magen für die spätere Rekonstruktion vorbereitet und an der grossen Magenkrümmung (Kurvatur) unter Erhalt des wichtigen Versorgungsgefässes mobilisiert. Anschliessend erfolgen die systematische Lymphknotenentfernung auf den grossen Gefässen (Leberarterie, Anfang der Milzarterie und Truncus coeliacus) und das Absetzen der grossen Magenarterie. Damit ist der Magen komplett frei und alle zu entfernenden Lymphknoten befinden sich am späteren Resektat. Der Magenschlauch wird mit einem speziellen Klammernahtschneidegerät als schmaler Schlauchmagen von 4 bis 5 cm Breite angefertigt. Der Bauchteil der Operation ist damit abgeschlossen. Die Trokare werden entfernt und die Zugangsstellen verschlossen.
Der Patient wird nun in eine Linksseitenlage gebracht und das Operationsfeld neu abgewaschen und abgedeckt. Dann beginnt unter Ein-Lungenventilation links die Operation in der rechten Brusthöhle bei kollabierter Lunge. Dazu werden fünf Trokare eingebracht (vgl. Abb. 2). Die Speiseröhre wird mit speziellen Präparationsgeräten von unten bis in den oberen Brustraum einschliesslich der Lymphknoten ausgelöst. Die Präparation ist delikat und umfasst die Präparation auf der Aorta, dem Herzbeutel und der dünnen Hinterwand der Hauptbronchien und der Luftröhre. Bei einem Tumorsitz im unteren Ösophagus bis knapp über die Aufteilung der Luftröhre wird der Ösophagus im oberen Brustraum vor dem Durchtritt zum Hals mit einem Klammergerät abgesetzt. Ist der Tumor höher gelegen, wird in den Durchtritt zum Hals präpariert, und die Operation wird später durch Freilegung am Hals für die Anastomose zu Ende gebracht.
Der vorbereitete Schlauchmagen wird nun in die Brusthöhle gezogen. Anschliessend wird ein 5 cm langer Schnitt am unteren hinteren Trokarzugang gemacht, die abgesetzte Speiseröhre herausgenommen und der Magenschlauch mit dem Spezialklammerschneidegerät abgesetzt. Der Anschluss des Schlauchmagens an die Restspeiseröhre (Anastomose) erfolgt mit einem automatischen zirkulären Klammergerät (Stapler). Die überschüssig präparierte Fettschürze (Omentum) wird um die Anastomose gelegt. Ausserdem wird für den Fall einer Undichtigkeit eine Drainage an die Anastomose angelegt.
Abschliessend wird die Lunge durch den Anästhesisten zur Ausdehnung gebracht, die Trokare werden entfernt und die Zugänge verschlossen. Wann immer möglich wird der Patient noch im Operationssaal extubiert und dann auf die Intensivstation verlegt.
Die minimalinvasive Technik zielt darauf ab, das grosse Operationstrauma beim Zwei-Höhleneingriff (Brust- und Bauchhöhle) zu reduzieren und damit insbesondere die Rate der Lungenkomplikationen zu senken. Im Westen wurde diese Entwicklung massgebend vorangetrieben durch Prof. Luketich an der University of Pittsburgh, zunächst an über 500 Fällen mit Halsanastomose (McKeown-Operation) und erst später aufgrund der technisch schwierigeren, aber vorteilhafteren Anastomose im Brustraum (Ivor-Lewis-Operation). Die 30-Tage-Mortalität lag bei sensationellen 0,9 Prozent bei mittlerweile über 2000 Fällen.
Zwischenzeitlich sind zwei randomisierte Studien (Zufallsverteilung der Patienten) erschienen. In der einen Studie wurde die offene mit der minimalinvasiven Operation verglichen. Dabei liess sich eindeutig nachweisen, dass die Rate der Lungenkomplikationen von 34 Prozent auf 12 Prozent signifikant gesenkt werden konnte. In der kürzlich abgeschlossenen französischen Multicenterstudie (FREGAT) wurde die Hybrid-Technik (laparoskopisch/thorakaloffen) mit der offenen Operation verglichen. Bei der Hybrid-Technik lag das Risiko für schwere Komplikationen um zwei Drittel tiefer – bei gleicher Prognose der Grunderkrankung.
Die Ösophagektomie in Hybrid- oder komplett minimal-invasiver Technik ist dank des entscheidenden Vorteils der Verringerung von Komplikationen ein neuer Meilenstein in der interdisziplinären Behandlung des Ösophaguscarcinoms. Sie wird an den meisten grossen Zentren in den USA, Europa und Asien als neues Standardverfahren eingesetzt.