Bauchschlagader-Erweiterung
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Im Alter von 69 Jahren konsultierte Albert Einstein seinen Arzt aufgrund wiederholter Bauchschmerzen seit zwei bis drei Tagen. Der geniale Wissenschaftler war Pfeifenraucher und leicht Übergewichtig. Seine Ärzte diagnostizierten als Ursache der Beschwerden eine Aufweitung der Bauchschlagader auf die Grösse einer Grapefruit. Aufgrund der Grösse der Aufweitung bestand die Gefahr des Einreissens der Bauchschlagader und damit das Risiko einer grossen Blutung. Diese würde höchstwahrscheinlich tödlich enden.
Die für Einstein einzig mögliche Behandlung war zu dieser Zeit eine Operation, bei der die vordere Wand der Bauchschlagader mit Zellophan umhüllt wurde. Ziel dieses Eingriffes war damals die Ausbildung von Narbengewebe, welches die Wand der Bauchschlagader verstärken und so das Einreissen des grossen Gefässes verzögern sollte. Albert Einstein unterzog sich diesem Eingriff und litt in den darauffolgenden Jahren zunächst nur gelegentlich an Bauchschmerzen. Später traten zusätzlich Rückenschmerzen und Beschwerden im rechten Oberbauch auf.
Am 12. April 1955 entwickelte Einstein starke Bauchschmerzen, die stetig zunahmen. Bei der Aufnahme im Spital diagnostizierte man eine Entzündung der Gallenblase und eine Blutung aus der Aufweitung der Bauchschlagader. Die Aufweitung drohte gänzlich zu reissen. Die Ärzte schlugen die Anwendung einer neuen Operationsmethode vor, bei welcher der krankhafte Anteil des Gefässes durch eine Leichenschlagader ersetzt würde. Während man in späteren Jahren hierfür Kunststoffprothesen verwendete, steckte diese Operationsmethode zur damaligen Zeit noch in den Kinderschuhen. Einstein verweigerte den Eingriff mit der Begründung, es sei geschmacklos, das Leben künstlich zu verlängern. Er habe seine Schuld getan und für ihn sei es Zeit zu gehen. Am 18. April 1955 verstarb Albert Einstein 76jährig an den Folgen des Einrisses seiner kranken Bauchschlagader.
Heute hätte man diese Erkrankung im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung mittels Ultraschalls der Bauchschlagader frühzeitig erkennen und im Rahmen eines geplanten Eingriffes behandeln können.
Ein Aneurysma ist eine Ausbuchtung eines Blutgefässes. Unter einer Bauchschlagader-Erweiterung versteht man eine Vergrösserung des Durchmessers der Hauptschlagader im Bauchraum um etwa das Doppelte.
Das Heimtückische am Bauchaortenaneurysma ist, dass etwa 80 % der Patienten keine Beschwerden haben. Werden die Aneurysmata symptomatisch, treten häufig Rückenschmerzen oder diffuse Bauchschmerzen auf. Die Beschwerden können dann über einen längeren Zeitraum bestehen. Kommt es aber zu einem kompletten Einriss der Schlagader, so verliert der Patient rasch grosse Mengen Blut in den Bauchraum. Dies führt dann innerhalb von Minuten bis Stunden zu einem Zusammenbruch des Kreislaufes, in der Regel kommt dann jede medizinische Hilfe zu spät.
Aufgrund der hohen Sterblichkeit bei einem akuten Einriss der Bauchschlagader (bis zu 80 %) ist das Ziel, Patienten mit Bauchaortenaneurysma frühzeitig zu identifizieren, um eine entsprechende Behandlung einzuleiten. Eine sichere, einfache und von Röntgenstrahlen freie Methode ist der Ultraschall des Bauchraumes. Die Fachgesellschaften für Gefässerkrankungen empfehlen deswegen, bei jedem Mann und jeder Frau über 65 Jahren und, unabhängig vom Alter bei Patienten mit einem oder mehreren Risikofaktoren (Rauchen, fämiliäre Belastung, hoher Blutdruck, hohes Cholesterin, Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung) einen Ultraschall durchzuführen.
Die einzige Behandlungsmöglichkeit bei einem Aneurysma besteht darin, den erkrankten Gefässabschnitt der Bauchaorta auszuschalten. Die Notwendigkeit einer Operation hängt vom Durchmesser der Aorta ab. Ab 50 mm sollte operiert werden, da ab dieser Grösse die Gefahr eines Einrisses der Bauchschlagader stark zunimmt. Das am häufigsten angewandte Therapieverfahren ist die offene chirurgische Aneurysma-Ausschaltung. Dabei wird die erweiterte Bauchschlagader durch eine Kunststoffprothese ersetzt. Unterhalb der Abgänge der Nierenschlagadern durchtrennt man die Hauptschlagader und näht eine Kunststoffprothese ein. Dazu ist ein Bauchschnitt erforderlich. Oft müssen auch beide Beckenschlagadern durch eine Y-förmige Kunststoffprothese mit zwei Prothesenschenkeln ersetzt werden. Diese Operation wurde erstmals 1951 durchgeführt und gilt heute noch als Standardeingriff.
Inzwischen ist diese Operation so weit standardisiert, dass die Zahl der Todesfälle bei dieser grossen gefässchirurgischen Operation erheblich gesenkt werden konnte (< 3 %). Trotzdem handelt es sich um einen grossen chirurgischen Eingriff, sodass die Medizin auf der Suche nach einer minimal invasiven Methode zur Behandlung dieser Krankheit war.
Es wurde deshalb eine alternative Behandlungsmethode mit einer sogenannten endovaskulären Stent-Prothese entwickelt (Abbildung 1). Bei diesen Stent-Prothesen handelt es sich um zusammenfaltbare Gitterröhren, die mit einer Kunststoffhaut beschichtet sind. Solch eine Stent-Prothese wird über einen kleinen Schnitt in der Leistenschlagader in die Bauchschlagader unter Kontrolle auf dem Röntgenschirm vorgeschoben und dann dort entfaltet und verankert (Abbildungen 1+2). Diese Operationsmethode belastet die Kranken bedeutend weniger als das Öffnen des Bauchraumes. Das Problem dieser modernen Behandlungsmethode liegt aber darin, dass man die Stent-Prothese in einem gesunden Gefässabschnitt verankern muss, um das Aneurysma sicher aus dem Blutstrom auszuschalten. Deshalb kommen nicht alle Patienten für diese Methode in Frage. Dennoch beeindruckt dieses neue Therapieverfahren dadurch, wie wenig der Patient im Rahmen des Eingriffes belastet wird und wie schnell er durch den fehlenden Bauchschnitt mobilisiert werden kann. Auch ist die Darmfunktion nach der Operation nicht gestört, wenige Tage im Krankenhaus genügen bis zur völligen Wiederherstellung.
Das Gefäss-Team muss sorgfältig für den jeweiligen Patienten das passende oder beste Therapieverfahren aussuchen, um das gefährliche Bauchaorten-Aneurysma sicher und dauerhaft behandeln zu können.