Verbesserte Darmdiagnose mit 3-D
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Die dreidimensionale Darstellung von Enddarm, Schliessmuskel und After verbessert die Diagnostik und die Behandlung entscheidend. Die Ursache der Erkrankung kann wesentlich präziser erfasst werden, da sowohl Gewebeveränderungen als auch ganze Muskelbewegungen im Detail und in Echtzeit abgebildet werden können. Dies hat entscheidende Auswirkungen auf die Wahl und die Erfolgschance der möglichen Therapieform.
In der Diagnose von Enddarm-, Schliessmuskel- und Aftererkrankungen werden seit geraumer Zeit zwei Methoden verwendet, die Endosonographie und die Manometrie. Dank technischen Fortschritten kann heute der Analkanal mit beiden Methoden nicht nur zweidimensional, sondern dreidimensional dargestellt werden, was enorme Vorteile für die Diagnostik bringt.
Beim Ultraschall bestand bisher vor allem das Problem der Datenspeicherung. Die Informationsmenge ist enorm gross, da sich die Auflösung in den letzten Jahren stark verbessert hat. Im Gegensatz zu Fotos oder Fernsehbildern, wo man von Pixeln redet, spricht man beim 3-D-Ultraschall wie bei den sonstigen bildgebenden radiologischen Verfahren von Voxeln (siehe unten). Diese entsprechen je einem 3-D-Vektor, der pro Würfel von untersuchtem Gewebe aufgezeichnet wird. Im Vergleich zu Magnetresonanz- und Computertomographie-Geräten kann durch den heutigen Ultraschall eine viel bessere Auflösung erreicht werden, das heisst, die «Würfel» sind sehr klein und damit die Auflösung sehr hoch. Ohne eine weitere Informationsverarbeitung nützt allerdings diese Auflösung nur wenig. Dank der Entwicklung einer neuen Software ist es in den letzten Jahren möglich geworden, die generierten Informationen zu nutzen.
Mit Hilfe der neuen Software können neu jede mögliche Ebene rekonstruiert bzw. 3-D-Bilder hergestellt werden. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, die fünf Schichten der Rektalwand sowie die benachbarten Beckenorgane des Rektums in einer noch nie dagewesenen Auflösung darzustellen (Abb. 1). Dies ermöglicht beim Tumor eine verbesserte Stadieneinteilung, das sogenannte Staging, was für die Diagnostik äusserst wichtig ist – denn je nach Befundgrösse wird das entsprechende Therapieverfahren gewählt. Durch eine Verfeinerung des Staging kann so bei einem kleinen Tumor entschieden werden, dass dieser problemlos mit dem Endoskop, also ohne Operation, abgetragen werden kann, was sowohl für den Patienten als auch den Arzt einen viel kleineren Aufwand bedeutet. Bei den grösseren Tumoren kann die Infiltration in die benachbarten Organe genau dargestellt werden. Diese Patienten benötigen nicht nur ein chirurgisches Verfahren, sondern allenfalls eine Chemo- sowie Radiotherapie, wodurch die Heilungsrate deutlich gesteigert werden kann.
Bei der analen Stuhlinkontinenz konnte bisher über die Muskulatur mit Hilfe der Standard-Ultraschalluntersuchung nur wenig ausgesagt werden, selbst Magnetresonanz- und Computertomographien konnten die Muskeln nicht gut darstellen. Mit der 3-D-Endosonographie wird jetzt zum ersten Mal ein Muskel im ganzen Verlauf dargestellt und ausgemessen. Dadurch ist die Wahl der Therapie bei der Stuhlinkontinenz einfacher geworden. Auch sogenannte Fisteln, die entzündlichen Gängen im Bereich des Enddarmes entsprechen, sind äusserst präzise sichtbar. Es gibt eigentliche Höhlen, die im Fachjargon «Fuchsbau» genannt werden. Diese können dank der guten Auflösung vor der Operation im Detail mit dem Chirurgen angeschaut und die notwendigen Massnahmen diskutiert werden, was diesem den Eingriff bzw. die Entfernung dieser Höhlen vereinfacht.
Beim Ultraschall gibt es zudem noch eine vierte Dimension, die Zeitachse: So ist es möglich, mit dynamischen Untersuchungen die Funktionsweise des Anorektums zu überprüfen. Bei Verstopfung können die diversen Veränderungen, wie z. B. verschiedenartige Ausbuchtungen im Enddarm, dargestellt werden, was bisher nur mit sehr aufwendigen Röntgen- sowie MRI-Verfahren möglich war.
Obwohl die Druckverhältnisse im Bereich des Afters seit mehreren Jahrzehnten gemessen werden, waren die gewonnenen Informationen lange Zeit sehr spärlich. Die neuen Entwicklungen haben der Manometrie zu einem Quantensprung verholfen. Bei einer der eingesetzten Techniken wurde die Anzahl der Sensoren vervielfacht, wodurch jetzt ein eigentlicher Druckzylinder dargestellt werden kann (Abb. 2): Mehrere Sensoren sind auf gleicher «Höhe» kreisförmig angeordnet. Im Abstand von einigen Millimetern werden diese «Kreise» dann in einer Zylinderform dargestellt, sodass die genauen Druckverhältnisse sichtbar werden. Muskelverletzungen nach einer Anal-Operation oder nach einer schweren Geburt werden dadurch eindeutig identifizierbar. Auch Asymmetrien werden erfasst, denn häufig ist der Muskel nur an einem ganz speziellen Ort geschädigt. Dadurch kann an dieser Stelle eine Injektion von Fremdmaterial, quasi zum «Auffüllen», durchgeführt werden. Bei einer allfälligen Operation hingegen weiss der Chirurg exakt, wo der Muskel gerafft werden muss.
Und auch hier kommt die vierte Dimension ins Spiel: Es können dynamische Untersuchungen unter Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs durchgeführt werden. Viele Patienten mit Verstopfung pressen falsch, d. h., sie verklemmen die Enddarmmuskeln statt diese zu entspannen. Welche Muskeln angespannt werden, wird dreidimensional und je nach Druck farblich dargestellt. Mit diesen für den Patienten einfach verständlichen Bildern ist auch mit einer Verbesserung des Biofeedback-Trainings, einer speziellen Trainingstechnik, zu rechnen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass beide 3-D-Techniken, Ultraschall sowie Druckmessung, eine ganz neue Sichtweise in Bezug auf das Anorektum eröffnen. Die bisher gemachten Erfahrungen verdeutlichen bereits eindrücklich, dass diese beiden Techniken sehr vielversprechend sind und für den Patienten entscheidende Fortschritte bringen.
Die Anzahl von Pixeln sagt etwas über die Auflösung eines zweidimensionalen Bildes aus, Voxel über die Auflösung im dreidimensionalen Raum.