Mittelpunkt 1/2017
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Erhöhte Leberwerte sind ein häufiger Befund in der hausärztlichen Praxis und können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Um den möglichen Spätfolgen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs vorzubeugen, ist es wichtig, dass die Ursache erhöhter Leberwerte frühzeitig abgeklärt und eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird.
Viele Erkrankungen der Leber und der Gallengänge werden erst sehr spät erkannt, da ihre Symptome unspezifisch sind. Dazu gehören Müdigkeit, Druckgefühl im Oberbauch, Appetitverlust, Übelkeit, Verdauungsprobleme, Juckreiz oder Gelbsucht. Häufig lassen sich im Frühstadium von Leber- und Gallengangserkrankungen jedoch erhöhte Leberwerte im Blut nachweisen (Gamma-GT, GPT, GOT, evtl. auch AP und Bilirubin). Neben den Laboruntersuchungen und dem Ultraschall spielen im diagnostischen Algorithmus auch die Endosonographie und die ERCP (siehe unten) eine Rolle. Ziel ist es, die Ursache erhöhter Leberwerte zu identifizieren und eine spezifische Therapie einzuleiten, bevor Spätschäden entstehen.
Die Ursachen für erhöhte Leberwerte sind vielfältig. Sie können harmlos, schwer oder sehr ernst sein. In der Abbildung 1 sind die häufigsten Ursachen von Lebererkrankungen dargestellt. Diese Krankheitsbilder können nicht nur zu einer Erhöhung der Leberwerte führen, sondern im Spätstadium auch in eine Leberzirrhose (Vernarbung und Funktionsverlust) oder gar in Leberzellkrebs münden.
Eine gezielte Erhebung der Krankengeschichte ist nach wie vor ein wichtiger Schlüssel zur Diagnosefindung. Zudem sind zahlreiche Befunde wie Gelbsucht, Bauchschmerzen, Bauchwasser und Übergewicht wertvolle Hinweise auf die Ursache und den Schweregrad des Leberschadens. In der weiteren Abklärung können neben laborchemischen Analysen folgende Untersuchungen notwendig sein:
Die Fettlebererkrankung ist die häufigste chronische Lebererkrankung in Europa. Rund 30% der Bevölkerung sind davon betroffen (Tendenz steigend). Zu den Risikofaktoren gehören Übergewicht, Diabetes mellitus und die Fettstoffwechselstörung. Da die Erkrankung in bis zu 20% der Fälle über eine Fettleberentzündung bis zur Leberzirrhose und zum Leberzellkrebs fortschreiten kann, ist die Identifizierung von Risikopatienten von grosser Relevanz. In über 90% der Fälle lässt sich eine Fettleber mit einem Bauch-Ultraschall diagnostizieren. Zur Behandlung kann neben Allgemeinmassnahmen wie Ernährungsumstellung, Sport und Gewichtsreduktion probeweise Vitamin E eingesetzt werden. Dieses Medikament verbessert nicht nur die Leberwerte, sondern auch die Fettleber und die Fettleberentzündung. Parallel dazu sind die Blutzucker- und Blutfettwerte richtig einzustellen.
Die Galle wird in der Leber gebildet und über die Gallenwege/Gallenblase in den Zwölffingerdarm abgegeben, wo sie die Verdauung unterstützt. Ein Gallenstau kann innerhalb der Leber durch Medikamente, Hepatitis B, C, D oder Alkohol und ausserhalb der Leber durch Gallengangssteine oder Tumore verursacht werden. Durch den Rückstau der Galle droht die Entstehung einer Gelbsucht, die zu einer Gelbfärbung von Haut und Augen sowie zu Juckreiz führt.
Sind Gallensteine die Ursache der Gelbsucht, werden die Steine aus der Gallenblase in die Gallengänge gespült, wo sie den Abfluss blockieren und bei der Passage der Gallengänge kolikartige Oberbauchschmerzen (Gallenkoliken) verursachen. Ein Steinverschluss in der Vater’schen Papille kann als Komplikation eine gefährliche Bauchspeicheldrüsenentzündung hervorrufen, ferner auch eine Gallengangsentzündung mit der Gefahr einer Blutvergiftung. Gallengangssteine müssen in der Regel nach Spaltung der Papille mittels ERCP entfernt werden. Bei mässigem oder geringem Verdacht auf Gallengangssteine sollte vorher immer die endoskopische Ultraschalluntersuchung (Endosonographie) zum Nachweis oder Ausschluss von Gallengangssteinen eingesetzt werden. Nach der endoskopischen Entfernung der Gallengangssteine erfolgt innerhalb von sechs Wochen die chirurgische Gallenblasenentfernung. Steine in der Gallenblase (im Unterschied zu den Gallengängen) verursachen meist keine Symptome und müssen nicht entfernt werden. Das betrifft 70% der Steinträger.
Wenn die Gelbsucht ohne Gallenkoliken auftritt und eine Erweiterung der Gallenwege vorliegt, wird mittels Ultraschall und Endosonographie nicht selten eine Verengung der Gallengänge durch einen Gallengang- oder einen Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Auch in diesen Fällen wird, vor allem bei erhöhten Entzündungszeichen, unmittelbar eine ERCP durchgeführt und der Gallenstau aufgrund der drohenden Komplikationen (Gallengangsentzündung und Blutvergiftung) mit einem Stent behoben. Falls die ERCP aus anatomischen Gründen, z.B. nach Operationen am Magen, nicht durchführbar ist, muss der Patient einer PTCD zugeführt werden (perkutane transhepatische Cholangiodrainage). Dabei wird die Leber durch die Haut punktiert und der Gallenfluss mithilfe einer Drainage wieder gewährleistet. Beide Verfahren ermöglichen nicht nur die sichere Diagnose, sondern in gleicher Sitzung auch die therapeutische Intervention. Ob der Patient mit einem Tumor operiert werden kann bzw. welche Behandlung sonst die bestmögliche Therapie darstellt, wird an einem interdisziplinären Tumorboard erörtert. Anschliessend wird das weitere Vorgehen unter Berücksichtigung der Wünsche des Patienten festgelegt.
Als Bestandteil von regelmässigen Check-ups ist die Messung der Leberwerte sehr sinnvoll, da so Lebererkrankungen frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Bei familiärer Vorbelastung oder bei Bestehen bestimmter Vorerkrankungen, wie z.B. Diabetes oder Fettleber, sollten solche Labordiagnosen bereits im jüngeren Alter durchgeführt werden.
Zu den wichtigsten und sinnvollsten Vorsorgeuntersuchungen für Männer und Frauen ab dem 50. Lebensjahr gehört die Vorsorge-Koloskopie (Darmspiegelung). Mit ihr lassen sich Polypen erkennen und entfernen, die als gutartige Tumorvorstufen zu einem Darmkrebs weiterwachsen können. Mindestens einmal im Leben sollte man sich ausserdem einer Gastroskopie (Magenspiegelung) unterziehen, und zwar aus zwei Gründen: Erstens tragen viele Menschen das Helicobacter-Bakterium in sich. Es kann nicht nur zu Magenentzündungen und Magengeschwüren führen, sondern bei langer Persistenz auch zu einem Magenkarzinom. Zweitens zeigen gerade die Magenkarzinome oder auch Speiseröhrenkarzinome oft lange keine Symptome und werden bei fehlender Vorsorgeuntersuchung deshalb häufig erst sehr spät erkannt.
Endoskopische Untersuchungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Diagnostik und therapeutische Intervention in einer Sitzung kombinieren können. Der Vorteil für die Patienten liegt dabei auf der Hand: Es bleiben ihnen wiederholte Untersuchungen und Eingriffe erspart. Zu den bedeutendsten Anwendungen gehört die endoskopische Entfernung von Krebsvorstufen und Krebsfrühstadien in der Speiseröhre, im Magen und im Darm. Der Fachausdruck dafür ist endoskopische Submukosa-Dissektion bzw. Tumorresektion im Stadium T1. Ein Beispiel für solche Krebsvorstufen sind komplizierte und grosse Polypen im Darm oder Tumorvorstufen in der Speiseröhre. Weitere komplexe interventionelle Eingriffe sind die endoskopische Drainage von infizierten Bauchspeicheldrüsen-Zysten sowie von abgestorbenem Gewebe (Nekrose). Schliesslich gehört zu dieser Art von Eingriffen auch die im Artikel beschriebene interventionelle ERCP, die bei Gallensteinabgängen sowie bei einer Verengung der Gallengänge durch einen Tumor (Gallengangsstenose) zum Einsatz kommt.
Wir verfügen bereits heute über gut auflösende Videoendoskope, um Bilder aus dem Körperinneren auf einen Bildschirm zu übertragen. Zur Beurteilung von Entzündungen und Tumoren werden Biopsien aus den jeweiligen Organen entnommen, um sie mikroskopisch zu untersuchen. Eine in Zukunft zu erwartende Weiterentwicklung der Videoendoskopie besteht darin, dass solche mikroskopischen Untersuchungen in Biopsien sich teilweise ersetzen lassen werden, da durch hochauflösende Videoendoskope sogar krankhafte Veränderungen auf Gewebs- und Zellebene sichtbar gemacht und im gleichen Eingriff auch behandelt werden können.
In einer kürzlich publizierten Studie habe ich ein neues Krankheitsbild der Gallengänge beschrieben, das zu wiederkehrenden Gallengangssteinen führt. Diese haben ihren Ursprung nicht in der Gallenblase, sondern sie entstehen aufgrund von anatomisch veränderten Strukturen in den Gallengängen selbst. Diagnostizieren lässt sich das «oblique bile duct syndrome» (schräger Gallengang) mit einer ERCP, wobei die Gallengangssteine im selben Eingriff gleich auch extrahiert werden. Eine Therapie, welche die anatomischen Ursachen der Steine behebt, wird zusammen mit dem Bauchchirurgen durchgeführt.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass viele Erkrankungen, insbesondere Tumorerkrankungen, multimodal therapiert werden müssen. Das bedeutet, dass mehrere Therapieansätze miteinander zu kombinieren sind. Ein gutes Beispiel dafür ist das Pankreaskarzinom. Bei neu auftretenden Oberbauch- oder Rückenschmerzen stellt der Hausarzt die Verdachtsdiagnose, die der Gastroenterologe mit einer endoskopischen Ultraschalluntersuchung bestätigt. Anschliessend wird der Fall am interdisziplinären Tumorboard des Gastrointestinalen Tumorzentrums Zürich (GITZ) vorgestellt und besprochen. Ein Tumor im Frühstadium wird durch den Viszeralchirurgen operativ entfernt. Ist der Krebs bereits fortgeschritten, durchläuft der Patient nach einer Gewebeentnahme und -untersuchung durch den Pathologen eine Chemotherapie. Dafür zuständig ist der Onkologe. Ziel ist eine Verkleinerung des Tumors, damit dieser ebenfalls operiert werden kann. Bei einer tumorbedingten Verengung der Gallenwege kann der Gastroenterologe, wie im Artikel beschrieben, einen Stent einlegen, um so den Gallenfluss wieder zu gewährleisten. An diesem Beispiel sieht man, dass sich das bestmögliche Therapieergebnis für den Patienten nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erzielen lässt.