Nierensteine werden immer häufiger
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Sie können von der Grösse eines Stecknadelkopfes bis hin zu einer Walnuss anwachsen, die Nierensteine. Für die Betroffenen – und davon gibt es immer mehr – bedeutet dies meist starke Schmerzen. Die Behandlung umfasst sowohl medikamentöse als auch minimalinvasive Therapien. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Wirkung prophylaktischer Massnahmen.
Weltweit tritt das Nierensteinleiden immer häufiger auf. Etwa 10 –15 % der Bevölkerung hat eine angeborene Neigung, im Laufe ihres Lebens Nierensteine zu bilden, was durch den heutigen Lebensstil zusätzlich gefördert wird. Dazu gehören eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr, übermässiger Konsum von Fleisch-Eiweiss, das zunehmend heisse Klima und vermehrter psychosozialer Stress, wie berufliche oder familiäre Probleme. Aufgrund weltweiter Studiendaten muss man in der Schweiz jährlich mit bis zu 30 000 akuten Nierensteinepisoden rechnen.
Erkennbar wird das Nierensteinleiden bei einer Nierenkolik. Diese verursacht den stärksten Schmerz, welchen Menschen erleiden können. Bewegt sich ein Nierenstein aus der Niere Richtung Harnblase, bleibt er im dünnen Harnleiter stecken und blockiert den Urinabfluss. Dadurch werden Niere und Harnleiter schmerzhaft überdehnt. Solange der Stein im Harnleiter festsitzt, treten immer wieder wellenförmige Kolikschmerzen in Flanke und Unterbauch mit Ausstrahlung bis in die Leiste und in die Geschlechtsorgane auf. In einer solchen Notfallsituation ist das Hauptziel die Schmerzfreiheit des Patienten, die durch Schmerzmittel erzielt wird. Zusätzlich können ausgewählte Medikamente (Alpha1-Blocker) vor allem den unteren Teil des Harnleiters erweitern, was die Chance für einen spontanen Steinabgang um 50 % steigert und die Schmerzintensität wesentlich vermindert.
Das früher propagierte Treppenhüpfen, massives Trinken und Infusionen sind gemäss neuen Erkenntnissen falsch: Die Verabreichung grosser Infusionsmengen vermag die Schmerzen nicht zusätzlich zu lindern. Zudem erhöht übermässige Wässerung den Druck auf die gestaute Niere drastisch, was mehr Schmerzen auslöst und das Risiko eines Nierenbeckenrisses mit Urinaustritt ins Gewebe nach sich zieht (Abb.1).
Mit medikamentösen Massnahmen gehen etwa 80 – 85 % der Steine innert Tagen bis 2 Wochen spontan ab. Grosse und sehr grosse Steine mit einem Durchmesser von 7–15 mm führen aber oft zu einer zunehmenden Nierenstauung oder sogar zu einer Infektion im gestauten Urin. Dies bewirkt Fieber und Schüttelfrost, beides Zeichen einer Blutvergiftung, die eine notfallmässige urologische Intervention erfordern.
Verlassen die Steine den Körper nicht auf natürlichem Weg, bietet die moderne Medizin minimalinvasive Techniken, welche die Behandlung von Harnsteinleiden völlig verändert haben. Bis zum Beginn der Stosswellenbehandlung im Jahre 1985 mussten viele Patienten mit dem «grossen Schnitt» behandelt werden; heute ist die sogenannte offene Steinchirurgie fast gänzlich verschwunden. Welche Methode zum Einsatz kommt, wird individuell entschieden und mit dem Patienten besprochen. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die Verfahren.
Bei der extrakorporellen Stosswellenlithotripsie (ESWL) wird der Patient auf einem Behandlungstisch gelagert und erhält ein Schmerz- sowie ein Beruhigungsmitel. Eine Narkose ist meist nicht erforderlich. Der Urologe lokalisiert mittels Röntgendurchleuchtung oder Ultraschall den Stein und stellt das Gerät so ein, dass die Stosswellen – hochenergetische Schallwellen – den Stein zerstören können (Abb. 4). Die entstandenen kleineren Stücke können dann auf natürlichem Weg ausgeschieden werden. Die Aufenthaltsdauer im Spital beträgt etwa 2 – 3 Tage. Die Behandlung verursacht selten Nebenwirkungen und ist in bis zu 85 % der Fälle erfolgreich. Angewendet wird diese Methode in der Regel bei Steinen in den Nieren und im oberen Harnleiterdrittel.
Die endoskopischen Verfahren nutzen Harnröhre und Harnleiter als Zugangswege. Steine im gesamten Bereich des Harnleiters inklusive Nierenbecken und Nierenkelchen werden heutzutage unter direkter Sicht mithilfe von Lasersonden zerstört und mit einem Körbchen eingefangen und entfernt (Abb. 2 und 3). Für diesen Eingriff benötigt der Patient entweder eine Narkose oder eine Betäubung des Rückens. Die endoskopische Steinentfernung ist invasiver als die Steinzertrümmerung, hat aber im Idealfall den Vorteil, dass der Patient sogleich steinfrei ist. Die Nebenwirkungen sind ebenfalls gering, der Patient bleibt meist nur kurz im Spital und ist schnell wieder arbeitsfähig.
Bei einem Stein mit einem Durchmesser von mehr als 3 cm im Nierenbecken muss mittels eines kleinen Schnittes von ca. 1 cm Länge in die Seite ein Instrument zur Nierenspiegelung eingebracht werden. Anschliessend zerkleinert man den Stein mit speziellen Sonden, um die Fragmente aus der Niere entfernen zu können (Abb. 5). Diese sogenannte perkutane Nephrolitholapaxie wird unter Narkose durchgeführt.
Innert 10 Jahren erleiden 50 – 60 % aller Nierensteinpatienten ohne vorbeugende Massnahmen einen Rückfall. Eine gute Prophylaxe senkt die Rückfallrate auf 5 –10 %. Sie basiert auf einem in wissenschaftlichen Studien erarbeiteten Abklärungsgang, welcher eine genaue Erhebung der Krankengeschichte, eine Analyse des Trink- und Essverhaltens sowie Blut- und Urinuntersuchungen umfasst. Am Anfang steht aber immer die chemische Analyse des abgegangenen oder entfernten Steinmaterials mittels moderner laborchemischer Verfahren. Anhand der Auswertungen wird dann für jeden Patienten individuell ein Programm zur Verhinderung weiterer Steinepisoden zusammengestellt.