Herzklappenfehler: Operation oder Kathetereingriff - Therapie im Wandel
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Bei der Behandlung von Herzklappenfehlern spielt die Kathetermethode eine immer grössere Rolle. Die Wahl der besten Methode für den jeweiligen Patienten – Katheter oder Operation – ist entscheidend. Sie ist abhängig vom Risiko und vom erwarteten Ergebnis des Verfahrens – und zunehmend auch vom Patientenwunsch.
Erkrankungen der Herzklappen sind häufig, bleiben aber vielfach unbemerkt. Je nach Alter und Begleiterkrankungen kann die Häufigkeit weit mehr als 20 % betragen. Die meisten Klappenfehler sind leicht und bedürfen nur einer regelmässigen Kontrolle. Einige können sich jedoch verschlechtern und bedrohlich werden. Sie führen zu einer Herzschwäche und verkürzen die Lebenserwartung. Typische Symptome von Herzklappenfehlern können Müdigkeit und Atemnot, aber auch Schwindel oder kurze Bewusstlosigkeit sein. Eine medikamentöse Therapie kann Symptome lindern. Meist ist jedoch eine rechtzeitige Reparatur oder ein Ersatz der Herzklappe notwendig, um einen bleibenden Schaden des Herzes abzuwenden und eine normale Lebenserwartung zu erhalten. Den richtigen Zeitpunkt und die beste Methode für den einzelnen Patienten festzulegen, ist sehr wichtig.
Bis vor einigen Jahren stand nur der chirurgische Eingriff am offenen Herz zur Verfügung. Seit rund zehn Jahren gibt es aber auch Katheterverfahren. Dabei werden die Herzklappen über die Leiste mit einem Katheter repariert oder ersetzt. Der Vorteil dieser Methoden liegt darin, dass, anders als beim chirurgischen Eingriff, der Brustkorb nicht eröffnet und das Herz nicht stillgelegt werden muss. Der Kathetereingriff ist somit schonender und die Erholungszeit meistens deutlich kürzer – ein Aspekt, der vor allem bei älteren oder geschwächten Patienten eine Rolle spielt. Bei hohem chirurgischem Risiko ist der Kathetereingriff häufig sogar die einzige Möglichkeit. Aufgrund vielversprechender Ergebnisse werden die Katheterverfahren aber auch immer häufiger bei Patienten erwogen, die man auch mit mässig erhöhtem Risiko operieren könnte. Hier ist das Herzteam gefragt, dem Patienten eine ausgewogene Empfehlung zu geben. Dieses Herzteam umfasst Ärzte vieler verschiedener Fachrichtungen, einschliesslich Kardiologen, Herzchirurgen und Intensivmedizinern.
Einer der häufigsten Herzfehler ist die Einengung der Auslassklappe des linken Herzes, die sogenannte Aortenklappenstenose. Etwa 2–5 % der über 75-Jährigen sind davon betroffen. Die Klappe hat sich meist erst im Laufe des Lebens durch Kalkeinlagerung verengt. Die Einschätzung des Schweregrades erfolgt heute im Ultraschall oder mittels Herzkatheter. Ist die Aortenklappenstenose schwer und treten Symptome auf, sollte ein Klappenersatz durchgeführt werden. Die Chirurgie erzielt hier sehr gute Ergebnisse. Bei Hochrisiko-Patienten sollte jedoch das Katheterverfahren zum Einsatz kommen.1 In einigen Ländern wird schon jetzt die Kathetermethode insgesamt häufiger angewendet als die offene Herzoperation. Es existieren allerdings auch noch Probleme beim Katheterverfahren, die es zu berücksichtigen gilt.2 Nicht jeder Patient hat eine geeignete Anatomie für das Katheterverfahren. Die Wahrscheinlichkeit, nach dem Eingriff einen Schrittmacher zu benötigen, ist höher als beim chirurgischen Eingriff am offenen Herz. Die chirurgischen Klappen weisen seltener unerwünschte Klappenundichtigkeiten auf. Die Erfahrung der behandelnden Ärzte und die enge Zusammenarbeit des Herzteams spielen genauso wie die Auswahl der Katheterklappen eine wichtige Rolle für gute Ergebnisse. Zurzeit sollte bei niedrigem chirurgischem Risiko die Kathetermethode nur bei ausgewählten, gut geeigneten Patienten zum Einsatz kommen.
Abb. 2
Die undichte Mitralklappe wurde dank Mitraclip repariert.
Ein zweiter häufiger Herzfehler ist die Undichtigkeit der Einlassklappe des linken Herzes, die sogenannte Mitralinsuffizienz. Sie kommt je nach Ursache und Alter des Patienten mit einer Häufigkeit von 2 bis 40 % vor. Standardbehandlung ist eine chirurgische oder medikamentöse Therapie. Seit einigen Jahren steht jedoch auch das Katheterverfahren zur Verfügung. Die am häufigsten angewendete Methode ist die Mitraclip-Therapie. Bei anatomisch geeigneten Patienten lassen sich sehr gute Ergebnisse erzielen. Auch bei weniger geeigneter Anatomie kann die Undichtigkeit der Mitralklappe häufig doch so weit reduziert werden, dass eine deutliche Besserung der Symptome eintritt.3 Es ist sehr wichtig, dass das erwartete Ergebnis vor dem Eingriff nach ausführlicher Untersuchung genau abgeschätzt und gegen das Risiko des Eingriffs am offenen Herz abgewogen wird. Dafür ist die enge Kooperation im Herzteam zwischen Kardiologen und Herzchirurgen eine unabdingbare Voraussetzung. Für die Mitraclip-Therapie spricht, dass sie ein vergleichsweise sehr sicheres Verfahren ist und dass das Ergebnis noch während des Eingriffs überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden kann.4 Der Aufenthalt in der Klinik und die Erholungszeit nach dem Eingriff sind in der Regel kurz.
Chirurgisches Risiko hoch | Chirurgisches Risiko nicht hoch | |
Klappe für Katheter gut geeignet | Kathetereingriff | Chirugischer Eingriff, in Ausnahmefällen Kathetereingriff |
Klappe für Katheter nicht gut geeignet | Einzelfallentscheidung | Chirurgischer Eingriff |
1 Thyregod HG, Søndergaard L, Ihlemann N, Franzen O, Andersen LW, Hansen PB, Olsen PS, Nissen H, Winkel P, Gluud C, Steinbrüchel DA. The Nordic aortic valve intervention (NOTION) trial comparing transcatheter versus surgical valve implantation: study protocol for a randomised controlled trial. Trials. 2013 Jan 9;14:11.
2 Thoenes M, Treede H, Franzen O, Kirch W. Transcatheter aortic valve implantation (TAVI) for the treatment of aortic stenosis: aspects of health care research. Dtsch Med Wochenschr. 2013 Feb;138(5):218–22.
3 Franzen O, Baldus S, Rudolph V, Meyer S, Knap M, Koschyk D, Treede H, Barmeyer A, Schofer J, Costard-Jäckle A, Schlüter M, Reichenspurner H, Meinertz T. Acute outcomes of MitraClip therapy for mitral regurgitation in high-surgical-risk patients: emphasis on adverse valve morphology and severe left ventricular dysfunction. Eur Heart J. 2010 Jun;31(11):1373–81.
4 Franzen O, van der Heyden J, Baldus S, Schlüter M, Schillinger W, Butter C, Hoffmann R, Corti R, Pedrazzini G, Swaans MJ, Neuss M, Rudolph V, Sürder D, Grünenfelder J, Eulenburg C, Reichenspurner H, Meinertz T, Auricchio A. MitraClip® therapy in patients with end-stage systolic heart failure. Eur J Heart Fail. 2011 May;13(5):569–76.