Sind Wunden älter als 3 Monate, bezeichnet man sie als chronisch. Sie sind seit jeher eine Herausforderung für Therapeuten und Betroffene.
Die ersten Verbände der Menschheit bestanden aus Erde, Baumrinde und Blättern. Papyrusrollen aus der ägyptischen Hochkultur berichten von Wundbehandlungen, wobei die Kenntnisse des Mumifizierens vorteilhaft waren. Hippokrates schwor auf das Ausbrennen der Wunden mit einem Glüheisen.
Im Mittelalter lag die Wundbehandlung unter der Würde der Mediziner. Die ersten Chirurgen waren eigentlich die Feldscherer, Handlanger der Bader, die für Brennholz und Rasur zuständig waren. Die Badenden zeigten dabei auch ihre Blessuren oder Geschwüre. Später nahmen die Bader das Schröpfen, Klistieren und den Aderlass in ihren Behandlungskatalog auf.
Das Prinzip der Asepsis und der Desinfektion ist den Ärzten Ignaz Semmelweis und Joseph Lister zu verdanken. Seither gab es die Chlorkalkdesinfektion und Karbolverbände, die eine ungestörte Wundheilung möglich machten. Ende der 50er-Jahre wurden die ersten Produkte zum Einmalgebrauch entwickelt. Von da an wird bei jeder Innovation in der Medizintechnologie eine Diskussion über die Kosten geführt. 1962 wurde die moderne Wundbehandlung durch Georg Winter eingeführt; sie ist der Grundstein der heutigen phasengerechten hydroaktiven Wundbehandlung.
Ursache und Wirkung
Eine klassische chronische Wunde ist das offene Bein. Meist liegt diesem ein Venenleiden zugrunde. Mit erhöhtem Druck auf das Gewebe kommt es zur Minderdurchblutung, die Haut wird dünn und verletzlich. Auch die arterielle Verschlusskrankheit, im Volksmund Schaufensterkrankheit genannt, führt zu Wunden an Beinen und Zehen.
Eine grosse Gruppe stellen die Diabetiker dar. Die erhöhten Blutzuckerwerte führen zur verzögerten Wundheilung. Durch langjährige Prozesse ist die Sensibilität gestört, und die Nervendegeneration führt zur Formveränderung des Fusses, sodass Belastungsspitzen auf der Sohle ein Druckulkus auslösen. In der Schweiz gibt es zurzeit über 250 000 Diabetiker mit steigender Tendenz. Weitere Wundursachen sind Tumoren, Autoimmunerkrankungen, Nebenwirkungen von Medikamenten sowie Mangelernährung, von der jede 5. Person in der Schweiz betroffen ist.
Was bedeutet eine chronische Wunde für die Betroffenen?
Eine Wunde bedeutet Schmerz. Die Patienten sind stigmatisiert, trauen sich nicht mehr ausser Haus, insbesondere mit nässenden oder übel riechenden Wunden. Darunter leiden die körperliche Konstitution und die Psyche. Soziale Kontakte brechen ab und die Betroffenen sind vermehrt alleine. Dies verschlimmert eine Wunde, denn erwiesenermassen beeinflusst die Psyche die Heilung.
Wie erfolgt die zielgerichtete Therapie?
An erster Stelle steht Detektivarbeit, denn Wunden werden oft durch mehrere Faktoren verursacht. Zunächst ist der Hausarzt gefordert. Er kennt seine Patienten und deren Grunderkrankung. Die zeitlichen und technischen Ressourcen sind in der Hausarztpraxis jedoch begrenzt. So ist neben der klinischen Untersuchung auch eine apparative Diagnostik notwendig. Mit Messungen können Angiologen eine Voraussage über die Heilungschancen machen. Allenfalls muss zusätzlich ein Spezialist aufgesucht werden. Oft ist die Wunde für die Heilung erst durch einen Chirurgen auf den Genesungsprozess vorzubereiten. Es ist wichtig, dass die behandelnden Ärzte eng zusammenarbeiten.
Zur Behandlung werden zuerst abgestorbenes Gewebe und Bakterien entfernt. Der Arzt wählt eine Wundauflage, die der Natur der Wunde möglichst gerecht wird. Dafür kommen, je nach Art der Wunde, Hydrozellulosefasern, Polyurethanschaumstoffe, Silberauflagen oder Honig zum Einsatz. Alle diese Stoffe absorbieren Zelltrümmer und Bakterien und halten sie in den Verbänden fest. Der naturgemäss höhere Preis dieser technischen Produkte wird durch seltenere Verbandswechsel kompensiert. Der geschlossene Verband ist für die Wundheilung positiv. Die früher vertretene Meinung, an eine Wunde müsse Luft gelangen, bewahrheitet sich nicht, denn dies führt nur zu Schmerzen und stört den Heilungsverlauf.
Erfolg durch Zusatzbehandlung
Bei einem venös bedingten Ulkus erfolgt Heilung nur mit Entstauung, entweder mithilfe von Bandagen oder Kompressionsstrümpfen. Wichtig ist die Prävention. Heutzutage gibt es Strümpfe mit angenehmer Faserqualität und in ansprechenden Modefarben.
Bei arteriellen Verschlüssen kann oft mittels Ballonkatheterdilatation die Durchblutung wiederhergestellt werden. Doch auch hier ist Prävention wichtig: Laufen ist Arterientraining und fördert die Bildung neuer Arterien.
Für Diabetiker ist neben der optimalen Einstellung des Diabetes eine ständige Kontrolle und Pflege der Füsse durch eine Podologin nötig. Wichtig ist ein geeigneter Schuh, der neben einem weichen Fussbett auch ein breites Zehenfach aufweisen muss.
Fazit
Die Behandlung von Wunden ist seit jeher eine Herausforderung. Die Anwendung von Eigenkreationen und Hausmitteln führt oft zur Heilungsverzögerung. Wichtig ist, rasch mit dem Hausarzt und einem fachlichen Netzwerk die richtigen Massnahmen einzuleiten, ganz zum Wohl des Patienten.