Was ist eine Mikro-Embolisation zur Schmerzbehandlung bei abnormen Blutgefässen?

Die Mikro-Embolisation kann man sich vom Ablauf ganz ähnlich wie eine Herzkatheteruntersuchung vorstellen und findet folglich in einem Katheterlabor statt. Die Embolisation wird von einem speziell geschulten Arzt, dem interventionellen Radiologen, durchgeführt. Der Patient ist bei der Behandlung wach, da der Eingriff schmerzfrei ist. Zunächst wird der Zugang an der Punktionsstelle, typischerweise in der Leiste, desinfiziert und steril abgedeckt. Nachfolgend wird in örtlicher Betäubung ein sehr feiner Schlauch (Katheter) in die Arterie eingeführt und unter Röntgenkontrolle in die atypischen Gefässe positioniert. Der Katheter ist 0,6 mm dick und sehr weich. Wenn man mit dem Katheter zum Schmerzbereich gelangt ist, kann man die abnormen Blutgefässe sehen und das Medikament (Embolisat) dort injizieren. Hierdurch werden diese Gefässe verschlossen. Ziel der Mikro-Embolisation ist, dass am Ende des Eingriffes keine abnormen Blutgefässe mehr sichtbar sind.

Mikro-Embolisation: Identifikation abnormer Gefässe auf der Innenseite des Kniegelenks (Pfeil linkes Bild), welche nach Einbringen des Medikaments (Embolisation) nicht mehr nachweisbar sind (Pfeil rechtes Bild).

Was ist nach einer Mikro-Embolisation hinsichtlich der Besserung der Beschwerden zu erwarten?

Typischerweise kommt es bereits während des Eingriffes zu einer Reduktion der lokalen Druckempfindlichkeit sowie zu einer Besserung der Beschwerden am Tag nach dem Eingriff. Bei Patienten, die von einer Mikro-Embolisation klinisch profitieren ist es typisch, dass in den folgenden Wochen bis Monaten es zu einer konsekutiven weiteren Besserung der Schmerzen kommt. Die Ergebnisse sind aber abhängig von der individuellen Situation und können variieren.

Rückgang der klinischen Beschwerden gemessen an einer subjektive Schmerzskala (0-100) nach Mikro-Embolisation bei Kniearthrose (Metaanalyse; aus Casadaban et al., CVIR 2020).

Welche Patienten eignen sich für eine Mikro-Embolisation?

Grundsätzlich qualifizieren sich Patienten mit Schmerzen bei Gelenkerkrankungen und Sehnenerkrankungen, welche sich unter konservativen (nicht operativen) Behandlungsmassnahmen nicht verbessert oder gar verschlechtert haben. Hierbei sollte vorgängig eine konsequente konservative Behandlung über mindestens drei Monaten durchgeführt worden sein. Patienten mit ausgeprägter Arthrose profitieren von der Mikro-Embolisation nur kurzfristig und eignen sich somit für dieses Verfahren eher nicht. Demgegenüber profitieren Patienten mit plötzlich einschiessenden lokalen Schmerzen, nächtlichen Schmerzen und morgendlichen Schmerzen am besten. Schlussendlich ist die Eignung für eine Mikro-Embolisation jedoch abhängig von einer Vielzahl von klinischen und bildgebenden Faktoren, sodass eine persönliche Vorstellung für den Behandlungsentscheid unerlässlich ist.

Abnorme Gefässe

Was sind abnorme Blutgefässe?

Abnorme Gefässe sind „ungewöhnliche Blutgefässe“, die sich in Strukturen wie Gelenkkapsel, Gelenkhaut und Sehnen als Reaktion auf eine Überbeanspruchung bilden.

Bei einer Vielzahl von orthopädischen Erkrankungen des Bewegungsapparates, die mit lokalen Schmerzen verbunden sind (Knieschmerzen aufgrund von Arthrose, Rückenschmerzen, Frozen Shoulder oder anderen chronischen Schulterschmerzen) konnte in feingeweblichen Untersuchungen gezeigt werden, dass diese Krankheitsbilder zur Ausbildung von abnormen Blutgefässe führen, welche zur Chronifizierung der Schmerzerkrankung beitragen.

Angiografische Darstellung der Kniegefässe: normale Gefässanatomie (linkes Bild), abnorme Gefässe bei innenseitiger Kniegelenksarthrose auf rechtes Bild).

Warum verursachen diese abnormen Blutgefässe Schmerzen?

Es gibt einen biologischen Zusammenhang, dass sich Nerven gerne zusammen mit Blutgefässen neu ausbilden. In feingeweblichen Untersuchungen wurde festgestellt, dass bei Patienten mit chronischen Schmerzen sich abnorme Blutgefässe bilden (Neoangiogenese), welche stets von neu gebildeten Nerven (Neoneurogenese) umgeben sind, die dann Schmerzen verursachen.

Sobald sich solche abnormen Blutgefässe einmal ausbildet haben ist es sehr schwer diese wieder zur Rückbildung zu bringen. Gleiches gilt auch für die benachbarten Nerven, wodurch eine rasche Beschwerdebesserung mittels konservativen Behandlungsmassnahmen erschwert wird.

Darüber hinaus hat sich auch herausgestellt, dass sich die abnormen Blutgefässe besonders ausgeprägt nach dem 40. Lebensjahr bilden. Aber auch jüngere Menschen neigen dazu, die abnormen Gefässe in Bereichen zu bilden, in denen sie wiederholt durch Sport oder Arbeit belastet werden.

Lagebezug von neu gebildeten Nerven (Neoneurogenese, rote Kreise) um neu gebildete Blutgefässe (Neoangiogenese, blau) bei einem Patienten mit chronischen Schulterschmerzen (aus: Xu et al. J Should Elbow Surg. 2012).

Woher weiss ich, ob ich abnorme Blutgefässe habe?

Bitte verwenden Sie die folgende Checkliste für Ihren Selbstcheck. Bitte beachten Sie, dass dies nur eine Orientierungshilfe darstellt. Wenn Sie möchten, besprechen Sie dies bitte bei Ihrem ersten Besuch mit dem Arzt. Darüber hinaus gibt objektive Untersuchungsmethoden wie Ultraschall oder MRI mit Kontrastmittel, um das Vorliegen von abnormen Gefässen festzustellen.

Checkliste

Wenn mehr als zwei Beschreibungen zutreffen ist es sehr wahrscheinlich, dass abnorme Blutgefässe vorliegen.

  • Wenn Sie mit einem Finger drücken verspürst Sie an einer Stelle deutlich mehr Schmerzen als an anderen Stellen.
  • Auch ohne Belastung fühlen Sie an der Stelle Schmerzen.
  • Sie verspüren an der Stelle Schmerzen vor dem Zubettgehen oder wenn Sie sich im Schlaf umdrehen
  • Es tut weh, sich morgens beim Aufwachen zu bewegen.
  • Sie verspüren Schmerzen, wenn Sie aufstehen oder sich unerwartet bewegen.
  • Der Schmerz ist wie ein Pochen, Kribbeln oder Stechen.
  • Schmerzhafte Bereiche werden rot oder sind geschwollen.
  • Je nach Wetter tut es unterschiedlich weh.
  • Nach dem Trinken von Alkohol tut es mehr weh.
  • Nach hartem Training tut es mehr weh.

Behandlung von Krankheitsbildern mit abnormen Gefässen mittels Mikro-Embolisation

Ein innovativer Ansatz in der Schmerztherapie sieht vor im Rahmen einer minimal-invasiv die abnormen Gefässe unter Röntgenkontrolle mit einem Katheter aufzusuchen und zu verschliessen. Diesen Eingriff nennt man Embolisation, der im Ablauf vergleichbar mit einer Herzkatheteruntersuchung ist. Eingriff kann in örtlicher Betäubung durchgeführt werden und ansonsten als solches schmerzfrei. Der Katheter, der hierbei verwendet wird ist 0.6 mm fein und sehr weich, sodass es unmöglich ist hiermit eine Gefässverletzung zu verursachen. Das Medikament, welches zum Verschluss der abnormen Gefässe dient ist seit über 20 Jahren als Antibiotikum zugelassen. Schwere, relevante Nebenwirkungen sind hiermit nicht bekannt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dieser kleine Eingriff sehr komplikationsarm ist und bei guter Patientenselektion zu einer raschen Beschwerdebesserung bei ansonsten unter konservativen Behandlungsmassnahmen therapieresistenten Schmerzen führen kann.

Professor Dudeck bei der Durchführung einer Mikro-Embolisation.