Die Klinik Hirslanden ist eine der ersten Kliniken in Europa die das neue Medikament Aduhelm anbieten darf. Das Medikament soll einen positiven Effekt auf die Behandlung bei Demenzerkrankungen haben. Wie funktioniert Aduhelm?
Obwohl man mit bisherigen medikamentösen sowie nicht-medikamentösen Therapien durchaus Erfolge in der Behandlung der Alzheimer Krankheit erzielen konnte, kann die Krankheit derzeit leider noch nicht bedeutend verzögert werden.
Das neue Medikament Aduhelm ist die erste Substanz, welche direkt die Krankheitsentwicklung auf molekularer Ebene beeinflusst. Der erfolgreiche Abbau der Alzheimer-spezifischen Proteinablagerungen im Gehirn konnte im Rahmen der klinisch-wissenschaftlichen Zulassungsstudien eindeutig nachgewiesen werden.
Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der Anwendung des Medikaments?
Es öffnet sich, zumindest theoretisch, die Möglichkeit, den Krankheitsprozess zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Sollte sich bei der klinischen Anwendung ein Effekt auf die Entwicklung der Demenz bestätigen, könnte man es wirklich als ein Durchbruch in der Alzheimer-Therapie bezeichnen.
Wir erhoffen uns eine positive Signalwirkung für die weitere wissenschaftliche Entwicklung und neue Investitionen in die Forschung auf dem Gebiet der Alzheimer Krankheit. Insbesondere nachdem die letzten Jahre fast nur Misserfolge gesehen haben: Etliche Medikamenten-Projekte mussten nach erfolgloser Erprobung mit Patientinnen eingestellt werden. Die in der USA bereits erfolgte Zulassung des Aduhelm könnte so für die gesamte Pharma-Industrie wegweisend sein.
Tatsächlich befinden sich bereits mehrere weitere Medikamente mit zum Teil ähnlichem Wirkungsmechanismus in fortgeschrittenen klinischen Forschungsstadien. Wir hoffen sehr, dass in der aktuellen Dekade auch dank Aduhelm zu einem Durchbruch kommt, so wie wir es vor kurzem zum Beispiel in der Behandlung der Multiplen Sklerose erlebt haben.
Die Wirksamkeit des Medikaments sowie dessen Zulassung standen in der Kritik bzw. waren umstritten, wie stehen Sie dazu?
Der Zulassung von Aduhelm ging eine kontrovers geführte Diskussion voraus.
Das berührt vor allem daran, dass der biologische Effekt des Medikaments sowie dessen Sicherheit bei Anwendung bei den Patienten zwar im Rahmen der Zulassungsstudien bestätigt werden konnten. Während der Dauer der Studie (ca. 14 Monate) zeigte sich jedoch kein Nachweis, dass dies auch zu einer Verbesserung der geistigen Fähigkeiten der Betroffenen führte. Trotz der ersten positiven Signale wären aus rein wissenschaftlicher Sicht weitere, wahrscheinlich deutlich längere Untersuchungen notwendig. Viel deutet auch darauf hin, dass die Behandlung sehr frühzeitig begonnen werden muss, wenn sie noch wirksam ins Krankheitsgeschehen eingreifen soll, und nicht erst, wenn die Alzheimer-Symptome schon ausgeprägt sind.
Das Medikament darf nur im Rahmen der Klinischen Forschung und nur unter ärztlicher Aufsicht verabreicht werden, welche Ergebnisse versprechen Sie sich von der Studie?
Die amerikanische Behörde entschied sich trotzdem das Medikament vorläufig zuzulassen. Eine erneute Beurteilung der Befunde nach einigen Jahren ist geplant. Bis vor Kurzem wäre solches Vorgehen bei einer bisher nicht heilbaren Erkrankung als unumstritten angesehen. Bei derzeit sehr strikten wissenschaftlichen Kriterien für Beurteilung der neuen Medikamente wurde die Entscheidung der Behörde von einem Teil der Ärzteschaft allerdings als nicht adäquat angesehen.
Bei der Alzheimer Krankheit handelt es sich aber um eine schwerwiegende und bisher nicht heilbare Erkrankung. Die Nebenwirkungen der Therapie zeigten sich in den Zulassungsstudien als seltenen und meistens nur sehr mild. Von Vorteil ist auch, dass die Behandlung sehr gut mit den bisherigen Therapien/Medikamenten kombiniert werden kann.
Wenn wir also alle vorliegenden Fakten abwägen, sind wir froh die innovative Behandlung unseren Patienten anbieten zu können. Eine sehr sorgfältige Überprüfung der Indikation und aller relevanten Befunde und Ausschlusskriterien ist bei jedem einzelnen Patienten selbstverständlich von höchster Wichtigkeit. Auch muss jeder Patient und ihre/seine Familienangehörigen ausführlich darüber aufgeklärt werden, dass es sich um eine noch nicht in der Schweiz zugelassene Therapie handelt. Unter solchen Bedingungen ist eine Anwendung des Medikaments auch von der Schweizer Aufsichtsbehörde erlaubt.