Was gehört zum spezifischen Therapieangebot der Neurochirurgie?
Ergänzend zur neurochirurgischen Beurteilung der Schmerzpatienten werden eine Vielzahl operativer Möglichkeiten der Schmerztherapie angeboten – neben Infiltrationen, Wirbelsäulen- und Rückenmarksoperationen, Testung und Implantation von Stimulationssystemen.
Was wird genau unter Rückenmarksstimulation verstanden?
Die Rückenmarksstimulation, auch SCS-Therapie genannt, ist eine Therapie, die schon seit Jahrzehnten erfolgreich angewandt wird. Ziel dieser Stimulation ist es, die Übertragung der Schmerzsignale zum Gehirn zu unterbrechen, oder mit einem angenehmen Kribbeln zu überdecken, sowie auch durch Verminderung des Sympathikotonus die Durchblutung zu verbessern. Das gelingt, indem Elektroden und ein kleines Gerät in den Körper- ähnlich einem Herzschrittmacher – implantiert werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass wir auch subkutane Stimulationsverfahren und occipitale Nervenstimulationen durchführen. Der grösste Teil wird jedoch epidural auf die Hinterstränge des Rückenmarks implantiert. Hat man früher nur die tonische Stimulation mit niedrigeren Frequenzen gehabt, so gibt es jetzt die sogenannte Burst-Stimulation, bei der elektrische Impulse in kurzer Folge stossweise an das Rückenmark abgegeben werden, und die Hochfrequenzstimulation mit 10 000 Hertz. Dieses Verfahren haben andere Stimulationsmuster und lösen kein Kribbeln mehr aus. Jedes dieser Verfahren hat seine entsprechende Indikation.
Zu welchem Zeitpunkt kommt diese Behandlung in Frage?
War man früher der Meinung, es sei die „letzte Option“, ist es heute bei gewissen chronischen Schmerzsyndromen, wie z.B. beim CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom) wichtig, früh zu intervenieren. Anders ist es bei therapieresistenten Durchblutungsstörungen, wie pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) und KHK (koronare Herzkrankheit). Hier steht zunächst die kurative Therapie im Vordergrund.
Für welche Patienten kommt diese Form der Neurostimulation in Frage?
Wir setzen diese Rückenmarksstimulation vor allem bei Patienten mit chronischen Nervenschmerzen ein, die vom Rücken in die Beine ausstrahlen oder vom Nacken in die Arme (radikuläre Schmerzen). Aber auch bei gewissen Arten von Kopfschmerzen und beim komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) kann die Neurostimulation angezeigt sein, ebenso bei Durchblutungsstörungen sowie bei Erkrankungen der Nerven durch Diabetes oder aufgrund eines Vitaminmangels (Polyneuropathie).
Kann die Neurostimulation auch bei komplexen Rückenschmerzen angewendet werden?
Die tonische SCS-Therapie deckt den komplexen reinen Rückenschmerz nur unzureichend ab. Dank der immer feineren, hochentwickelten Systeme auf dem Markt gibt es jetzt neue Behandlungsoptionen, wie das Burst-Stimulationssystem, welches auch MRI tauglich ist, oder die Hochfrequenz-Stimulation.
Aus welchen Bestandteilen besteht ein Stimulationssystem? Was wird wo und wie implantiert?
Es gibt Stab- und Plattenelektroden von verschiedenen Firmen. Über Verlängerungskabel werden diese an den Schrittmacher, den sogenannten Impulsgeber, angeschlossen und entweder subkutan in eine Bauchtasche oder gluteal implantiert. Die Patienten bekommen ein Handbedienungsgerät und, sollte es sich um eine wiederaufladbare Batterie handeln, ein Ladegerät. Für unsere komplexeren Programmierungen haben wir externe Geräte, die mittlerweile über einen Laptop funktionieren.
Wie ist das Potential der Neurostimulation?
Weiter geforscht wird an der Grösse des Impulsgebers und dessen Technik und an den Elektroden, die wie alles im digitalen Bereich, schnell und kleiner werden. Behandelt werden können auch Querschnittsgelähmte, die dadurch eine bessere Rumpfstabilität erhalten. Ein weiteres Thema ist auch, die Stimulation gegen Spastik einzusetzen. Ebenfalls wird daran gearbeitet, die Programmierung der Geräte über grössere Distanzen zu ermöglichen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Neurostimulation in Zukunft ein grosses Potential hat.
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