Als Stuhlinkontinenz wird der ungewollte Verlust von Wind oder Stuhl an einem "falschen Ort" (d.h. nicht auf der Toilette) oder zu einer "falschen Zeit" verstanden. Stuhlinkontinenz reicht von gelegentlichem Stuhlschmieren oder Windabgang bis hin zum mehrfachem täglichen Verlust von festem Stuhl. Die psychische Belastung ist in den meisten Fällen erheblich. Nicht selten führt die Inkontinenz zur sozialen Isolation aus Angst vor ungewolltem Stuhlverlust, der von Anderen bemerkt werden könnte.
Schätzungen sprechen von rund 5% der Bevölkerung, die von der Inkontinenz betroffen sind. In den Vereinigten Staaten entspricht das 15 Millionen Einwohnern, in der Schweiz wären es rund deren 350'000. Es wird angenommen, dass 30-50% der Bewohner von Altersheimen unter Inkontinenz leiden. Alle diese Zahlen dürften aber deutlich höher liegen, weil die Erhebung solcher Daten schwierig ist.
Ursachen der Stuhlinkontinenz
Ursachen der Stuhlinkontinenz
Frauen sind von der Stuhlinkontinenz häufiger und schwerer betroffen als Männer. Mitunter spielen Geburten eine ursächliche Rolle. Diese stellen für den Beckenboden eine erhebliche Belastung dar. Im Verlauf kann sich eine Beckenbodenschwäche ausbilden, die sekundär zu einer Schädigung der für die Kontinenz wichtigen Beckenbodennerven führen kann. Daneben können Verletzungen des Schliessmuskels, welche bei einer Geburt durch einen Dammriss entstehen können, eine Inkontinenz in späteren Jahren begünstigen. Andere Ursachen einer Stuhlinkontinenz können chirurgische Operationen im Analbereich sein (z.B. Hämorrhoiden-Operationen). Hierbei kann es zu einer Schädigung des Schliessmuskels kommen, die jedoch typischerweise erst Jahre später zur Inkontinenz führt. So kann in jungen Jahren der Funktionsverlust eines defekten Schliessmuskels kompensiert werden, mit dem Alter jedoch werden diese Kompensationsmechanismen immer weniger wirksam, sodass der Schliessmuskelschaden voll zum Tragen kommt.
Seltenere Ursachen einer Inkontinenz sind neurologische Störungen, wie die Multiple Sklerose (MS), der Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder unfallbedingte Querschnittsverletzungen. Paradoxerweise kann auch eine hartnäckige Verstopfung mit Inkontinenz in Zusammenhang stehen: Harter Stuhl kann durch eine Dehnung des Enddarms zur reflexartigen Erschlaffung des Schliessmuskels führen, was dazu führt, dass flüssigere Stuhlanteile nicht mehr zurückgehalten werden können. In einigen Fällen bleibt jedoch die Ursache einer Inkontinenz verborgen.
Abklärung der Stuhlinkontinenz
Abklärung der Stuhlinkontinenz
Obwohl sich durch eine genaue Erhebung der Symptome sowie eine gründliche Untersuchung der Patienten in vielen Fällen die Ursache der Inkontinenz vermuten lässt, sind Zusatzuntersuchungen notwendig. Die Feststellung der Ursache einer Inkontinenz ist für die Therapie ein entscheidender Faktor. Als Zusatzuntersuchungen unverzichtbar sind der anale Ultraschall und die anale Druckmessung (Manometrie). Durch den analen Ultraschall können Schädigungen des Schliessmuskels erkannt werden. Durch die Einführung der 3-dimensionalen Ultraschalltechnik, die spezialisierten Zentren zur Verfügung steht, hat sich die Genauigkeit dieser Untersuchung deutlich erhöht. Mit diesem Gerät kann der Enddarm mit dem Schliessmuskel räumlich dargestellt werden, was für die Diagnose der Schliessmuskelschädigung grosse Vorteile bringt.
Neben der Ultraschalluntersuchung ist die anale Druckmessung (Manometrie) in der Diagnose der Stuhlinkontinenz wichtig. Mithilfe dieser Untersuchung kann die Funktion des Schliessmuskels bestimmt werden. Ebenfalls kann die Sensibilität des Enddarmes gemessen werden. Eine verminderte Sensibilität kann zu einer sehr späten Wahrnehmung des Stuhldranges führen, sodass nur wenig Zeit bleibt, eine Toilette aufzusuchen. Findet sich keine Toilette in der Nähe, kommt es zu ungewolltem Stuhlverlust. Bei dieser Form der Inkontinenz spricht man von Drang-Inkontinenz. Fehlt die Empfindung für Stuhl im Enddarm fast gänzlich, kann dies zu unbewusstem Stuhlverlust führen, was als passive Inkontinenz bezeichnet wird. Sowohl eine verminderte Schliessmuskelfunktion wie auch eine verminderte Enddarmsensibilität sind die häufigsten Störungen, die einer Inkontinenz zugrunde liegen. Dieser Umstand verleiht der Manometrie eine entscheidende Rolle in der Diagnostik der Inkontinenz.
Therapie der Stuhlinkontinenz
Therapie der Stuhlinkontinenz
Stuhlinkontinenz ist in sehr vielen Fällen einfach behandelbar! Die Stuhlinkontinenz ist für den Patienten eine schwere Belastung und führt häufig zu einer deutlichen Beeinträchtigung seiner Lebensqualität. Die Ausschöpfung nicht-operativer Therapien (Stuhlregulation, Physiotherapie) sowie eine genaue Abklärung der Inkontinenzursache sind die tragenden Pfeiler des Therapieerfolges. Ebenso ist ein Team von spezialisierten Ärzten (Chirurgen, Magen-Darm-Spezialisten, Gynäkologen), spezialisierten Physiotherapeuten und Inkontinenzberatern wichtig, um gemeinsam die Therapie eines einzelnen Patienten zu diskutieren und festzulegen. Den Grundstein für die erfolgreiche Behandlung der Stuhlinkontinenz muss jedoch der betroffene Patient selber legen, indem er mit dem Hausarzt oder dem Spezialisten darüber spricht!
Nicht-chirurgische Therapie
Am Anfang jeglicher Therapie steht die Stuhlregulation, die zum Ziel hat, die Konsistenz des Stuhls zu normalisieren und die Zeit der Stuhlpassage im Darm zu verlängern. Flüssiger Stuhl kann von einem geschädigten Kontinenzorgan viel schlechter zurückgehalten werden als geformter Stuhl. Die Ursache von flüssigem Stuhl sind mannigfaltig: Übermässiger Alkohol- und Kaffeegenuss, Fruchtsäfte, Milch bei Laktoseintoleranz und künstliche Süssstoffe sind nur Beispiele von möglichen Ursachen. Zuweilen ist ein Stuhltagebuch sinnvoll, um den Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und dünnem Stuhl bzw. Stuhlverlust erkennen zu können.
Für eine normale Stuhlkonsistenz ist ein hoher Faseranteil in der Nahrung unverzichtbar. Dies kann durch Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte erreicht werden. Unterstützend können Flohsamen aus der Apotheke wirken (z.b. Metamucil). Besteht trotz dieser Massnahmen weiterhin zu weicher Stuhl bzw. eine zu hohe Stuhlfrequenz, kann Loperamid (Imodium) hilfreich sein. Bei der Tendenz zu Verstopfung bzw. hartem Stuhl ist eine Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Litern (Wasser, ungesüsster Tee) zu empfehlen.
Physiotherapeutische Massnahmen vom Typ Biofeedback können in ausgewählten Fällen ebenfalls hilfreich sein. Bei dieser Form des Beckenbodentrainings, die von spezialisierten Physiotherapeuten angeboten wird, kann die selektive Aktivierung von Beckenbodenmuskeln trainiert und so deren Funktion verbessert werden.
Chirurgische Therapie
Wenn die konservativen, d.h. nicht-operativen Therapien keine entscheidende Verbesserung der Kontinenz nach sich ziehen, sollte eine Operation als Therapie in Erwägung gezogen werden. Bei der Wahl der richtigen Form von Chirurgie müssen die Ursache der Inkontinenz, deren Ausprägung und die Erwartung bzw. der Wunsch des Patienten berücksichtigt werden.
Liegt der Grund der Inkontinenz in einem defekten Schliessmuskel, so kann der vorhandene Muskeldefekt vernäht werden (sog. Sphinkterrepair). Diese Operation wird meist bei jüngeren Patienten durchgeführt, typischerweise bei Schliessmuskelzerreissung nach Geburten. Diese Operation ist heikel und sollte nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Eine neue Therapiealternative zum Sphinkterrepair ist die Injektion von Kollagen oder Silikon zur Verstärkung des Schliessmuskels. Diese Therapie kommt insbesondere bei leichtgradiger Inkontinenz bedingt durch eine Schädigung des Schliessmuskels zur Anwendung. Das Kollagen wird unter die Schleimhaut gespritzt, das Silikon zwischen den inneren und den äusseren Schliessmuskel.
Eine eigentliche Revolutionierung der Therapie der Stuhlinkontinenz erfolgte 1995 mit der Sakralen Nerven Stimulation (SNS). Bei dieser Therapie werden die für die Kontinenz wichtigen Beckenbodennerven mittels Strom stimuliert. Dies führt vor allem zu einer verbesserten Empfindlichkeit des Enddarmes, sodass der Stuhl früher bemerkt wird. Diese Stimulierung geschieht für den Patienten meist unbemerkt oder wird als feines Kribbeln im Bereich des Afters wahrgenommen.
Die Sakrale Nervenstimulation ist eine ambulante Operation mit einer Erfolgsrate von 85% - unabhängig von der Ursache der Stuhlinkontinenz!
Die Operation läuft in 2 Phasen ab, einer Testphase und einer permanenten Phase. In der Testphase wird zunächst der Beckenbodennerv im Bereich des Steissbeines mit einer Nadel lokalisiert, um dann eine feine Elektrode in die Nähe des Nervs einzubringen. Diese Operation geschieht in lokaler Betäubung und wird ambulant durchgeführt. Danach erfolgt eine vierzehntägige Testphase zur Beurteilung des Therapieerfolges. Wird in dieser Testphase eine Verbesserung der Beschwerden um mindestens 50% erreicht, erfolgt die Implantation einer kleinen Batterie (ähnlich einem Herzschrittmacher) unter die Haut des Gesässes.
Die Sakrale Nervenstimulation ist in lokaler Betäubung durchführbar!
Die Sakrale Nervenstimulation wird nur an spezialisierten Zentren angeboten und gehört heute zu den vielversprechendsten Therapien der Stuhlinkontinenz! Andere Verfahren, wie der künstliche Schliessmuskel oder der künstliche Darmausgang, werden aufgrund des Erfolges der Sakralen Nervenstimulation praktisch nicht mehr durchgeführt.
SNS-Teststimulation: Operationsinformation
SNS-Teststimulation: Operationsinformation
Vorbereitung: keine
Anästhesie: Lokalanästhesie
Operationsdauer: 45-60 Minuten
Spitalaufenthalt: ambulant
Arbeitsunfähigkeit: 2-3 Wochen
Nachbehandlung: keine
SNS-definitive Implantation: Operationsinformationen
SNS-definitive Implantation: Operationsinformationen
Vorbereitung: keine
Anästhesie: Lokalanästhesie
Operationsdauer: 30 Minuten
Spitalaufenthalt: ambulant
Arbeitsunfähigkeit: 7 Tage
Nachbehandlung: keine
Häufig gestellte Fragen
Häufig gestellte Fragen
Bin ich durch diese implantierte Batterie irgendwie eingeschränkt?
Nein, die Batterie ist kaum spürbar und lässt alle Aktivitäten zu.
Wie wirkt die Sakrale Nervenstimulation?
Der Wirkmechanismus ist nicht restlos geklärt. Man weiss jedoch, dass die Empfindsamkeit des Enddarmes zunimmt und so der Stuhlgang früher bemerkt wird. Auch gibt es Hinweise, dass die Stimulation zu einem verstärkten Schliessmuskeldruck führt. Die Daten sind aber diesbezüglich etwas widersprüchlich.