Patientenzeitschrift "Focus"

Maria S., 75-jährig, wird hospitalisiert wegen wiederkehrender Übelkeit, Würgereiz, Enge- und Druckgefühl in der Brust und Schwindel. Es folgen viele Untersuchungen.

Sämtliche Organe wie Herz, Magen-Darm-Trakt und Lunge sind gesund. Als körperliche Ursachen und Erkrankungen ausgeschlossen sind, wird eine Ärztin mit dem Fachgebiet «Psychosomatik» hinzugezogen. In dem ausführlichen Gespräch mit Maria S. und unter Würdigung der Untersuchungsergebnisse kommt die Psychosomatikerin zur Beurteilung, dass Maria S. unter einer Panikerkrankung leidet.

Was ist eine Panikerkrankung?

Die Panikerkrankung fällt in die Gruppe der Angsterkrankungen. Ca. 4 % der Bevölkerung erkranken in ihrem Leben an einer Panikerkrankung. Es sind unvermittelt auftretende, extreme Angstzustände, welche Minuten bis Stunden andauern können. Nicht selten findet sich die Situation, dass die Betroffenen hartnäckig erklären, keine Angst zu haben. Oder dass eine Angst erst aufgrund der Symptome auftritt.

Die Ursachen der Panikerkrankung sind vielfältig. Häufig besteht ein zufälliges Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Ist eine Panikattacke erst einmal aufgetreten, so ist die Gefahr der Verselbständigung gross. Das heisst, dass die Panikattacke dann ohne Auslöser (z.B. in der Nacht aus dem Erwachen oder in entspannten Situationen) auftreten kann. Am Ende resultiert dann die Angst vor der Attacke – also die Angst vor der Angst.

Panikerkrankungen können sich vielfältig körperlich zeigen. Es ist darauf hinzuweisen, dass viele Betroffene nur ein oder wenige Symptom/e aufweisen.

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Typische Symptome der Panikerkrankung

  • Herzklopfen, Herzrasen, unregelmässiger Herzschlag
  • Enge und/oder Schmerzen in der Brust
  • Kurzatmigkeit oder Atemnot
  • Schwitzen, Zittern, innerliches Beben
  • Hitzewallungen oder Kältegefühl
  • Kribbeln und/oder Taubheitsgefühl an verschiedenen Körperteilen
  • Übelkeit, Bauchschmerzen, Würgereiz
  • Schwindel, Benommenheit
  • Gefühl der Unwirklichkeit, seltsames Gefühl, Angst
  • und weitere Symptome

Was passiert bei der Panikerkrankung?

Der Mensch befindet sich je nach Situation zwischen völliger Entspannung und maximaler Anspannung. Die entsprechenden Körperfunktionen werden durch das vegetative (oder autonome) Nervensystem geregelt. Dieses ist dem Willen kaum zugänglich.

Der Sympathikus hat eine aktivierende Funktion «Flucht oder Kampf», der Parasympathikus ist für die Erholung und Regeneration zuständig. Viele innere Organe werden sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus gesteuert; d.h. der eine gibt «Gas», der andere «bremst».

Bei der Panikattacke besteht ein massives Ungleichgewicht zwischen Parasympathikus und Sympathikus. Das heisst, Körperorgane, obwohl sie gesund sind, werden vorübergehend überaktiviert. Nach der Attacke findet sich häufig noch ein Ungleichgewicht, auch wenn dieses geringer ausgeprägt ist, als während der Attacke. Anspannungen, Schlafstörungen, Schwitzen, Herzklopfen, Verdauungsbeschwerden usw. sind dann häufig anzutreffen.

Wie wird die Panikerkrankung behandelt?

Die Panikerkrankung wird psychotherapeutisch behandelt, in einigen Fällen ist eine zusätzliche Therapie mit Medikamenten angezeigt.

Ziel ist die Wiedererlangung des Gleichgewichtes zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Der überaktivierte Sympathikus wird wieder in seine Mittellage geführt, indem die betroffene Person lernt, ihre persönlichen Stressoren zu erkennen und hierauf nicht nur mit «Kampf oder Flucht» zu reagieren. Das heisst, als erstes muss die betroffene Person die eigene Erkrankung erkennen, dass die Symptome zwar sehr beängstigend, nicht aber gefährlich sind.

Dann gilt es «kultivierte» Stressoren wahrzunehmen. Dieses sind z.B. Ideale wie: Aufgaben immer perfekt erledigen, immer freundlich sein oder nicht nein sagen können.

Zu guter Letzt gibt es Stressoren wie z.B. Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme, Lebensphasenwechsel usw. Diese Stressoren entziehen sich weitgehend unseren Einflussmöglichkeiten. Dennoch trägt eine positive innere Haltung zur Bewältigung der Umstände bei.

Bei Maria S., die in den letzten Monaten kaum noch die Wohnung verliess und aufgrund der Angst vor den Attacken ihre Wanderungen und das Schwimmen aufgab, war die Behandlung erfolgreich. Innerhalb von sechs Monaten gelang es ihr, ihre Lebensqualität zurückzuerobern. Sie führt heute wieder ein normales Leben wie zuvor und besucht demnächst ihre Tochter in den USA.